Gebete murmelnd zog der Padre durch den Weihnachtsmarkt. Die Monstranz mit frischen Oblaten gefüllt. Jeder Besucher des Weihnachtsmarktes mit reinem Herzen konnte den Leib Christi empfangen, dazu reichte der Padre einen Schluck Wein aus einem Plastikbecher.
In gebückter Haltung folgte ein Ministrant, ein junger Bursch dem Kirchenmann. In kurzen Abständen bimmelte er mit einem Glöckchen, deren hohe Frequenz sich vom übrigen Lärm deutlich abhob.
Dahinter folgte eine rüstige Mitfierzigerin, mit weihnachtlich geschmückten Bauchladen den Beiden, wo man alle Scannvorrichtungen für Visa, Mastercart und sämtlichen Zahlungsmitteln vorfand, damit jeder Spendenfreudige Mensch problemlos seinen Obolus entrichten konnte.
Wenn die kleine Gruppe den Weihnachtsmarkt durchquert hatte, machten sie kehrt und zogen wieder denselben Weg zurück zum Eingang des Marktes.
Unmittelbar nach der Wende kniete vor dem Padre ein Mann und bad um eine Hostie. Der Kirchenmann bekreuzigte sich und sprach die Absolution aus, worauf der Kniende Mensch bekam, um was er gebeten hatte.
Nach einem schluck aus dem Weinbecher, erhob er sich und mischte sich wieder unter die Besucher des Glühweinstandes.
Der Padre und sein kleines Gefolge zogen gemächlich weiter durch den Markt.
So konnte er nicht mehr sehen, wie der, mit Hostie gespeißte Mann sich mit einer Frau angeregt unterhielt. Plötzlich sackte er mit einem unterdrückten Schrei auf dem mit Sägemehl bedeckten Boden zwischen die Beine der Besucher des Weinstandes. Ein dunkel gekleideter Mann kniete sich hin, zog das Messer aus dem Rücken des leblos am Boden liegenden Mannes. Schob das vom Blut triefende Messer in den weiten Ärmel seiner Bekleidung, stand langsam auf als hätte er die Zeit aller Welt und tauchte in der Menge unter.
Der Ministrant beobachtete seinen Herrn, wie der abgewannt vom Weg die Weihnachtsbeleuchtung der Stände betrachtete. Diese
Gelegenheit benützte der Ministrant, vorsichtig führte er den Daumen und Zeigefinger in die Monstranz und griff sich einige Hostien und schob diese rasch in seinen Mund. Anfangs reichte sein Speichel, aber als er den Wein sah, stockte die Speichelproduktion und die drei Hostien wurden zu einem zähen Klumpen, die er von einer Ecke in die andere des Mundes schob. Weil dem Ministranten das voll und ganz in Anspruch nahm, vergaß er seinen Auftrag mit dem Glöckerl zu läuten. Der Padre versetzte dem Sorglosen Knaben einen Stoß mit dem Ellenbogen, was dem Jungen sein Pflichtbewusstsein wieder zurückbrachte. So erschrocken schluckte der Junge seinen gestohlenen Leib Christi hinunter, es schmerzte noch lange in der Speiseröhre, bis der trockene Knödel den Magen erreicht hatte. "Das war die Strafe Gottes!“ Dacht er und trottete den Weg verdrossen weiter.
Weil der fromme Kirchenmann vor lauter Herumschauen nicht mehr aufmerksam auf den Weg achtete, wäre er fast über dem dunkel gekleideten Mann gestolpert, der für eine Absolution vor ihm kniete. Das Blut an seinem linken Ärmel war durch die hereinbrechende Dunkelheit und des fast schwarzen Stoffes nicht sichtbar.
„Gehe in dich und bereue deine Sünden.“
Dann verabreichte er dem vor ihm knienden Mann die Hostie.
Dieser hatte seine Hände gefaltet und stand auf, um anschließend an der Frau mit dem Bauchladen seine Schuld zu begleichen. Wenn der Padre gewusst hätte, wie viel so eben in seine Kirchenkasse geflossen war, hätte er auf der Stelle seine kleine Prozession abgebrochen und mit seinem Ministrant und der Kassiererin in seine Kirche zurückgekehrt.
Als sich nach Marktschluss die kleine Gruppe auf den Heimweg machte und die Frau und der Kirchenmann in der Sakristei die Abrechnung vornahmen, blieb dem Padre der Mund offen stehen!
„Da muss ein Sünder sehr viel Schuld auf sich geladen haben; Ob der trotzdem in den Himmel kommen wird?“