Warum aus der Mittelschicht keine berühmten Literaten hervorgehen und wieso der Hartz IV-Empfänger der nächste Literaturpreisträger sein könnte?

Gleichnis zum Thema Literatur

von  Augustus

Aus den Reihen der Hartz IV-Bezieher können die nächsten Literaturpreisträger herauswachsen, weil sie die besten ökonomischen Bedingungen erfüllen.  Die ökonomischen Rahmenbedingungen für den Erwerb eines Literaturpreises sind zwei Größen ausschlaggebend: die Freizeit/€ und der Grad der Konsumfreiheit/€.

Ich werde nur die Hauptpunkte behandeln und weniger, bis gar nicht auf die Besonderheiten eingehen, da das Thema sonst den Rahmen extrem sprengen würde. 

Ein Hartz IV-Empfänger bezieht Sozialleistungen in Höhe von ca. 360€. Für diese Leistung, die er bezieht, verpflichtet er sich jederzeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Er hat jedoch erstmal Freizeit, und seine Freizeit je Stunde kostet ihn genau 2,25 € netto. Im Verhältnis dazu nehmen wir einen Angestellten aus dem Mittelstand der Brutto Ca. 39.000 € verdient. Netto bleiben ihm ca. 26.500 übrig im Jahr. Seine Freizeit pro Stunde kostet ihn netto ca. 14 Euro. Die Freizeit des Hartz IV-Beziehers ist so dermaßen günstig zu kaufen, weil sie billig ist, das heißt, ein knappes Gut in einer kapitalistischen Welt ist in der Regel extrem teuer, die Zeit gehört zu diesen knappen Gütern, der Hart IV-Empfänger erkauft sich dieses knappe teure Gut jedoch so günstig, wie kein anderer in einer kapitalistisch geprägten Welt. Sein Pendant dagegen, dessen Freizeit/Stunde 14 Euro kostet ist teurer; dementsprechend überlegt er sich zweimal, ob er für dieses Geld eine Stunde Freizeit sich erkaufen möchte oder nicht. Ihm wäre es sogar lieber wenn er die Möglichkeit hätte  Überstunden zu arbeiten, um seinen Grad der Konsumfreiheit zu erhöhen. Das heißt, er würde seine teuren Freizeitstunden lieber gegen Überstunden eintauschen.

Auch im Grad der Konsumfreiheit ist der Hartz IV-Bezieher besser dran als sein Gegenüber, wenn es darum geht, welche Klasse die bessere Ausgangssituation hat, den nächsten Literaturpreisträger zu produzieren. Eine Stunde Freizeit kann sich der Hartz IV-Bezieher günstig erkaufen, wie wir nun wissen, die eine der beiden Voraussetzungen ist, um möglicher Literaturpreisträger zu werden. Auch der Grad der Konsumfreiheit spielt dem Hartz IV-Empfänger in die Hände. Mangels seines winzigen Einkommens ist dementsprechend sein Grad der Konsumfreiheit extrem niedrig. Er kann sich nur Güter leisten, die seine Lebensexistenz sichern, und das war‘s, mehr kann er sich nicht leisten. Er entgeht also auf diese Weise erneut dem Kapitalismus, der darin besteht, mehr zu konsumieren als notwendig gebraucht wird. Er spart umgekehrt durch den niedrigen Grad der Konsumfreiheit wiederum Freizeit; und könnte diese günstig erkaufte Freizeit in die ebenso günstige Vermehrung literarischer Fähigkeiten investieren.

Für den Angestellten dagegen kommt es noch dicker. Er muss nicht nur mehr für seine Freizeitstunde bezahlen, sondern sein Grad der Konsumfreiheit ist extrem höher als die seinen Pendants, weshalb er dazu neigt sein Einkommen für wertvollere Güter als für Literatur auszugeben. Das heißt, um seinen Lebensstandard zu finanzieren muss er Zeit aufwenden, sowohl für Arbeit als auch für den Kauf der Güter. Jedoch Mangels der Freizeit und höherem Grad der Konsumfreiheit, stehen die Chance sehr schlecht, dass der nächste Literaturpreisträger ein Angestellter aus der Mittelschicht wird.
Die zwei ermessenen Größen tendieren dazu den Hartz IV-Empfänger zu bevorzugen. Allein wäre das so richtig, wenn es den Staat nicht gebe. Denn dieser ist geradezu wie dafür geschaffen, dass keine Literaten dem Boden entwachsen. Wie zu Anfang geschrieben ist der Hart IV-Bezieher für die Leistung, die er erhält im Gegenzug verpflichtet, sich immer für den Arbeitsmarkt freizuhalten; und genau darin liegt die große Gefahr. Sobald der Mensch aus den Sozialleistungen ins Arbeitsleben zurückkehrt, minimieren sich seine Chancen auf den Literaturpreis aufs Minimum; seine Freizeit/Stunde wird bemerkbar teurer, sein Grad der Konsumfreiheit steigt nach oben, im schlimmsten Fall nutzt er seinen Grad der Konsumfreiheit für wertvollere Güter: und dementsprechend sinken seinen Chancen der nächste Literaturpreisträger zu werden, auf das Minimum. 

Aus den Reihen der Reichen bzw. Wohlhabenden sind die Chancen wesentlich größer, dass ein Literaturpreisträger herauskommt als aus der Klasse der Angestellten. Zwar sind die Kosten pro Freizeit/Stunde sehr teuer für die Reichen, sie können sich das aber ohne größere Schwierigkeiten leisten. Auch ist der Grad der Konsumfreiheit extrem hoch angesiedelt, so dass, wie es der Fall ist bei den Angestellten, die Freizeit und das Einkommen fürs Konsumieren werthaltiger Güter als für Literatur ausgegeben wird. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Denn der Sättigungsgrad der konsumierten „wertvolleren“ Güter ist irgendwann erreicht, ausgeschöpft; und der Wohlhabende oder Reiche muss nun seine Freizeit woanders investieren. In unserem Fall: Literatur. Da der Staat ihn seinem Fall außen vor bleibt und keinen Zugriff auf seine Freizeit hat, hat der Reiche, die beste Ausgangsituation der nächste Literaturpreisträger zu werden, wenn er seine Freizeit und seinen Grad der Konsumfreiheit allein nach der Literatur ausrichtet.

Diese allgemeinen gehaltenen ökonomischen Betrachtungen gehen nicht auf die vielfältigen Besonderheiten ein, die in allen Klassenkonstellationen auftreten können. Dies wäre ein besonderer Teil der Untersuchung und einen eigenen Beitrag wert.

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (08.03.17)
ob jetzt t-h der nächste literaturpreisträger wird?

 harzgebirgler (31.03.17)
der dünkel ist seit je des geistes grab / doch bricht gern übers einfache den stab! beste grüße vom harzgebirgler

ps Hölderlin sagt in "Griechenland":
"Zu Geringem auch kann kommen
Großer Anfang" -
und wenn einer das wußte, dann der!

 Diogenes (05.05.20)
Diese Effekte der ökonomischen Lage auf die literarische Leistung eines Menschen sind zumindest plausibel.

 Augustus meinte dazu am 05.05.20:
allein aus ökonomischer Sicht betrachtet ist dies so.
Konkret (54)
(05.05.20)
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 Augustus antwortete darauf am 05.05.20:
Allein diese schrieben ein Werk, das es verdient beachtet zu werden, oftmals viele Jahre zuvor. Der Nobelpreis ist ein nachträglicher Preis für geleistete Arbeiten aus den Vorjahren.

 Regina (05.05.20)
An den Haaren herbeigezogenes Theoretiker-Kabarett, dieser Text. Die Regierung will ja nicht, dass irgendwer auf Staatskosten Freizeit hätte. Deshalb hat sich Alg2 in der einen oder anderen Maßnahme einzufinden, Deutschkurs, Englischkurs, EDV, Hoga, Metall, Holz, Verkauf, Hauswirtschaft, Bewerbungstraining. Freizeit is nich, im Alter heißts Flaschen sammeln.

 Augustus schrieb daraufhin am 05.05.20:
eine geviefte Person in einer solchen Lage wird sich sicherlich leicht zu helfen wissen, wie sie diese Zeitfresser umgehen kann.
Z.B. Krankschreibung über Wochen und Monate hinweg, bei jeder neuen Anstellung, bei jedem neuen Kurs etc. Theoretisch möglich und wenn einer tatsächlich all seine Zeit auf die Ausübung der Litereratur und Zeitinvestition in seine gesitigen Fähigkeiten tätigen würde, hielte sich die Wahrscheinlichkeit gleich hoch, dass dieser vor seinem 65 Jahr Literaturpreise gewinnt, wie jener der, Jahrelang hart arbeitende den Genuss seines Renteneintritts nicht mehr erlebt.
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