Karl-Friedrich

Kurzgeschichte zum Thema Alltag

von  StillerHeld

I

Karl-Friedrich verlässt das Haus wie üblich um Acht. Nachbars Katze erwartet ihn auf dem Fensterbrett neben der Eingangstür. Der Bus verspätet sich wie üblich um fünf Minuten und ist zudem überfüllt. Er lässt sich bis zur Endstation fahren und wechselt dort in die U-Bahn, die ihn rasch zu seinem Arbeitsplatz bringt.

II

In unabänderlicher Routine geht Karl-Friedrich durch den finsteren Gang seines alten Mietshauses, öffnet die schwere Haustür und stellt sich der Realität eines nur allzu gewöhnlichen Wochentagsmorgens. Nero, der rote Kater des redseligen Nachbarn von gegenüber, beobachtet ihn träge vom Fensterbrett aus. Karl-Friedrich ärgert sich, dass der Bus niemals pünktlich da ist. Außerdem hat’s drinnen zu viele Menschen. Da freut er sich, dass an der Endstelle ein nahezu leerer Waggon des U-Bahn-Zuges auf ihn wartet, der ihn mit höchstem Komfort — und ohne weitere lästige Verzögerungen — zur Arbeit bringt.

III

Finster.  Karl-Friedrich inmitten. Geruch nach feuchtem Mauerputz. Kalt. Den unheimlichen Gang entlang, weiter und weiter, zum vorbestimmten Ende. Unbeweglich ruht das Haustor. Will in Frieden gelassen werden, doch muss der Kraft weichen. Kraft der — doch nicht so festen — Überzeugung Karl-Friedrichs, in die Welt hinaus zu wollen.

Licht. Luft. Sonne. Karl-Friedrich inmitten. Registriert die Katze und wird von ihr registriert. Der Nachbar — für ihn unsichtbar — redet gerade jemand anderen nieder, im Haus, im Auto, am Telefon, sonstwo. Nicht Karl-Friedrichs Problem.

Der Bus schon. Der ist zu spät. Das stellt seine Geduld auf die Probe. Und als er endlich da ist, sind Menschen drinnen, viel zu viele. Karl-Friedrich inmitten. Geht auf in der Menge, ist in ihr, mit ihr. Will aber ohne sie. Das Ende ist nahe. Der Bus entlässt ihn. Endlich. Wieder. ER. SELBST.

Ihm zu Diensten, die U-Bahn, promptest, lässt ihm endlich Raum, um Gedanken zu spinnen,  Reiche der Phantasie zu bauen. Karl-Friedrich inmitten. Der Zug hält mit der Geschwindigkeit seiner Gedanken kaum Schritt. Mit mildem Lächeln lässt er schließlich den Zug den Wettlauf gewinnen und steigt aus. Sein Arbeitsplatz wartet auf ihn.

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