Geflüster unter einem Ölbaum

Engagiertes Gedicht zum Thema Materialismus

von  Tatzen

Haltet euch fern von
den Göttern!
Aufragt
in knotig verwachsener Furcht
die schöne Daphne;
die Gorgonin
büßt ewig
für ein Tête á Tête;
in lebenslangen Frondienst
brachte die gottgewollte Gast-
freundschaft
Philemon und seine Baucis
und schließlich den gnädigen Tod.

Haltet euch,
fern von den Göttern.
Wo streift der Apoll,
der deiner auf ewig gedenkt,
den Ölzweig im Haar?

Wann kommt die Liebesnacht,
die alles wert ist,
ein Leben
in Einsamkeit vergessen macht?

Hielte Athene dich auf?

Und was gäbest du
für das Versprechen die
Erwartung die
Gewissheit
dieser Innigkeit
- gemeinsam
leben gemeinsam
sterben –

Haltet euch,
fern!

Von den Göttern.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

wa Bash (47)
(25.09.17)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Tatzen meinte dazu am 25.09.17:
Der Begriff "Miniatur" gefällt mir - was will ein Gedicht anderes, als die Welt en miniature einzufangen und gleichsam auf den Punkt zu bringen?
Graeculus (69)
(25.09.17)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Tatzen antwortete darauf am 25.09.17:
Man muss schon genau hinhören, um die Götter zu hören; - oft bleiben sie leider auch stumm.

 Soshura (26.09.17)
Ich empfinde Dein Gedicht einenteils als Auflösung dessen:  Geflüster im Auto (ohne Ölbaum), und zugleich auch als konkrete Aufforderung:

Werde Dein eigener "Gott". Jedoch nicht, indem Du jenen - die Dir als Götter dargeboten sind - nacheiferst oder sie vergötterst. Auch nicht als Vorbild, oder Unsterbliche vielleicht sogar. Sondern indem Du aus deren unsterblichen Geschichten erkennt, wer Du selbst bist. Dann haben die Götter ihre Funktion erfüllt. Werde unabhängig, erinnere Dich ihrer. Behandle alle so.

Schön finde ich auch die letzten Zeilen - sie erscheinen mir, als würde alles Vorgesagte von jenen selbst mir zugerufen werden.

Gern gelesen, danke
Peter

 Tatzen schrieb daraufhin am 26.09.17:
Du lieferst eine einleuchtende Interpretation; insbesondere die letzten Verse habe ich mit ebendieser Absicht so verfasst. Dass du die Autonomieaufforderung so plausibel herausarbeitest, passt mir gut ins Konzept
Ich denke, dass ohne das Wissen um die Welt (und insbesondere das Geworden-Sein der Welt) echte Autonomie nicht möglich ist. Dazu gehört auch eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Götterglauben - ob man nun selbst glaubt oder nicht.
Viele Dank für deinen ausführlichen Kommentar!
Gruß Daniel
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram