Zweibruch

Gedicht

von  Isaban

Als letzte Nacht der Mond so halb
über dem Garten hing das dumme Ding
hinter den Rippen ins
Leere griff und ich meine Schlaglosigkeit
über die Balkonbrüstung werfen wollte
sah ich diesen Schatten der sich langsam
ganz langsam von der Linde aus über die
Beete schob als wollte er all die verloren-
en Blätter aufsammeln da schwamm auf
der Stille sehr fern viel zu fern ein Husten
das klang wie du.

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Kommentare zu diesem Text

Aron Manfeld (48)
(21.03.18)
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 Isaban meinte dazu am 22.03.18:
Ach Aron,

es geht um die Texte, erinnerst du dich? Um die Texte.
GigaFuchs (39)
(21.03.18)
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 Isaban antwortete darauf am 22.03.18:
Interessante Interpretation.

 Morphea (21.03.18)
Pleuritis oder Pneu.moonie, hinter dem Rippenwald, der kräftig durchschüttelt vom Atemsturm, kaum mehr Ruhe findet...und nur der olle Mond hüstelt so einsam vor sich hin dass es vielleicht irgendwann synchron klingt...vom Balkon und ganz weit fern ;)

Grüße, atemlos von Dolphi

Kommentar geändert am 21.03.2018 um 21:00 Uhr

 Isaban schrieb daraufhin am 22.03.18:
Auch eine spannende Interpretation.
Vielen Dank für deine Rückmeldung.

Liebe Grüße

Sabine

 Irma (22.03.18)
„Zweibruch“ - das erinnert an Einbruch. Die Stimmung passt: Dunkelheit, nur ein halber Mond am Himmel, dazu ein unheimlicher Schatten, der durch den Garten huscht. Der Einbruch scheint allerdings kein äußerer zu sein, sondern mehr ein persönlicher, ein Einbrechen in sich selbst, ein inneres Zusammenbrechen. LyrIch fühlt seine Beziehung auseinanderbrechen: ein drohender (Ent-)„Zweibruch“. Die Beziehung ist nicht mehr intakt und ganz. Die eine Hälfte ist unsichtbar, so wie beim Mond („der Mond so halb“, V.1). Das „dumme Ding / hinter den Rippen“ (V.2/3) scheint das Herz von LyrIch zu sein, das dummerweise noch versucht, nach LyrDu zu greifen. Aber es greift „ins / Leere“ (V.3/4). Diese Leere wird bildlich deutlich durch den sehr kurzen dritten Vers, wo hinter „ins“ tatsächlich eine Leere entstanden ist. Bei dem Ins-Leere-Greifen sah ich ein LyrIch vor mir, das nachts im Bett neben sich fasste und feststellte, dass der Partner noch nicht oder nicht mehr da ist. Nun steht es wartend auf dem Balkon und hält Ausschau.

Wenn die zwei Herzen nicht mehr füreinander schlagen, wird das Herz von Lyrich einen Herztod sterben infolge der „Schlaglosigkeit“ (V.4). Diese Ad-Hoc-Bildung lässt natürlich die ‚Schlaflosigkeit‘ anklingen, an der LyrIch leidet, weil es nachts Beziehungsprobleme wälzt. Ebenso aber auch das Gegenteil von Schlaglosigkeit: ‚Schlagfertigkeit‘. Schlagfertig ist jemand, der sich (mit Worten) zu wehren weiß. LyrIch ärgert sich über sich selbst, dass es diese nicht besitzt, dass es einfach nur still und tatenlos leidet. Am liebsten will es seine Schlag- (und Hilflosigkeit) „über die Balkonbrüstung werfen“ (V.5). Sie hängt gedanklich schon halb über der Brüstung, wie auch „der Mond so halb / über dem Garten“ (V.1/2). Ebenso kommen auch Gedanken über einen Suizid (ein Ende machen) auf. LyrIch überlegt, sich vom Balkon hinabzustürzen: „so halb / über dem Garten hing das dumme Ding / hinter den Rippen“ (V.1-3). (Die fehlende Kommasetzung lässt unterschiedliche Lesarten zu, je nachdem, wo man mit dem Lesen beginnt und endet.)

In diesem Moment passiert etwas: LyrIch bemerkt einen „Schatten der sich langsam / ganz langsam von der Linde aus über die / Beete“ schiebt (V.6-8). Ähnlich diesem Schatten schiebt sich auch dieser einzige Satz, aus dem das Gedicht besteht, reim- und interpunktionslos von einer Zeile zur nächsten, vom Anfang bis zum Ende. Die konjunktivische Ergänzung „als wollte er all die verloren- / en Blätter aufsammeln“ (V.8/9) wirkt desillusionierend. Das Laub auf dem Boden ist tot. Was einmal gefallen ist, ist endgültig verloren. Zwei Wörter mit L, durch die ein Riss geht: Lindenlaub und Liebe: (Worttrennung: „verloren-en“). Auch die Liebe ist gestorben und kann nicht wieder zum Leben erweckt werden.

Aus dem Blättermeer am Boden schwimmt etwas auf, schwimmt auf der Stille: „ein Husten“ (V.10). Hier am Ende des Bandwurmsatzes taucht endlich LyrDu auf: „das klang wie du“ (V.11). Doch obwohl sich LyrDu zu nähern scheint, klingt das Husten „sehr fern viel zu fern“. LyrDu bleibt ohne Konturen, nicht fassbar, nichts als ein Geräusch. Und es bleibt offen, ob es sich letztendlich auch wirklich um LyrDu handelt („klang wie“). Zumindest endet hier in der elften Zeile der lange Bandwurmsatz nach dem „du“ mit dem einzigen Satzzeichen: einem alles beschließenden Satzpunkt.

LG Irma (Ende, aus und Schluss.)

Kommentar geändert am 22.03.2018 um 22:19 Uhr

 Isaban äußerte darauf am 23.03.18:
Hach!
Was für eine wundervolle Interpretation, Irma!
Sie entspricht zu riesengroßen Teilen, wenn auch nicht 100%ig meinen Intentionen, aber Letzteres bereue ich grade. :D
Du weißt, wie gut du bist, ne?
Herzlichen Dank, du Liebe. Du bist mein Lichtblick der Woche!
Tausend Grüße

Sabine

Antwort geändert am 23.03.2018 um 15:45 Uhr
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