wir waren atomdichter

Gedicht zum Thema Landschaft

von  W-M

wir waren atomdichter
und sprachen mit den basalten
unsere eltern zogen über die gletscher
unseren kindern gaben wir namen
wie sonnenschein zukunft oder hoffnung
auf ein besseres leben warten wir noch

auf den schneefeldern hinter dem fjord
landeten drohnen geophysikalische messungen
der schwere und des magnetfelds von spalteneruptionen
einer paläoerde trieben fremde forscher ins land
ein paar sind geblieben
sie verliebten sich in unsere elfen

skaldendichter sangen verse über feuchten torf
zeichen aus flechten und gletscherschliffe auf steinen
ein mann eine frau eine hauswiese
auf ihr grasten schafe und pferde
im wollgras das sich im wind wiegte ruhten stimmen
der jeep vor dem haus hatte kein benzin mehr

im jahr des großen ascheregens verfinsterte sich der himmel
kinder verhungerten frauen und männer
eine insel wurde geboren
flugzeuge verloren die orientierung und fielen vom himmel
du summtest ein wiegenlied
in ihm trockneten stockfisch und walfleisch in klarer luft


Anmerkung von W-M:

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erschienen in   Signaturen-Magazin, Forum für Autonome Poesie, Rubrik Zeitzünder, 25.11.2018

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Links zum Begriff "Atomdichter":

http://www.die-horen.de/9783835311817-bei-betagten-schiffen.html

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/wdr3-kulturfeature/audio-islands-atomdichter-oder---der-schock-der-moderne-100.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Atomstation

https://lyrikzeitung.com/2012/09/23/97-atomdichter/

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Kommentare zu diesem Text

Bette (70)
(25.11.18)
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 W-M meinte dazu am 26.11.18:
Ja, danke sehr!

 EkkehartMittelberg (25.11.18)
Lieber Werner,
die Büchse der Pandora ist geöffnet und die schwere Wolke der Bedrohung wird über den Menschen schweben, solange es sie gibt.
LG
Ekki

 W-M antwortete darauf am 26.11.18:
als Kind erlebte ich, zumindest im Fernsehen, 1963 quasi live die Geburt (und das teilweise Wiederverschwinden) der Insel Surtsey mit, das hat mich fasziniert und lange nicht mehr losgelassen, eigentlich bis heute. Danke.
wa Bash (47)
(26.11.18)
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 W-M schrieb daraufhin am 26.11.18:
der Begriff "Atomdichter" geht auf den isländischen Literatur-Nobelpreisträger Halldór Kiljan Laxness zurück und entstammt seinem Roman "Atomstation". Er wird dort abfällig als "Schimpfwort" für einen seltsamen Dichter benutzt ... die neuen isländischen Dichter im Zeitraum um die isländische Unabhängigkeit (Ende 1940er Jahre / Anfang 1950er Jahre) wurden von den Traditionalisten so beschimpft, weil sie mit der altisländischen Dichtungs-Tradition brachen ... sie selbst nannten sich dann so bzw. wurden dann stolz so tituliert: der Beginn der modernen isländischen Dichtung wurde / wird damit beschrieben.

siehe auch:

http://www.die-horen.de/9783835311817-bei-betagten-schiffen.html

https://www.nzz.ch/islands-atomdichter-1.16860615

https://www.iceland.is/iceland-abroad/de/nachrichten-und-veranstaltungen/vorstellung-des-horen-bandes-zu-bei-betagten-schiffen---islands-atomdichter/7924/

Danke für Deinen Besuch und die Zustimmung.

Antwort geändert am 26.11.2018 um 18:43 Uhr
wa Bash (47) äußerte darauf am 26.11.18:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 W-M ergänzte dazu am 26.11.18:
als alter Island- und Laxness-"Fan" und Neu-Entdecker der Atomdichter greife ich zur Zeit wieder stark auf meine Erinnerungen eines dreiwöchigen Islandaufenthalts als junger Geologiestudent 1976 zurück ... und versuche damit unter anderem, zeitgenössischen Lyrik zu schreiben

 juttavon (02.12.18)
Mich spricht die Art an, wie Du hier Schrecken und friedliche Schönheit miteinander verwebst, beides ist nachvollziehbar und bleibt bestehen.

Den Titel finde ich etwas irreführend, da es ja nicht in erster Linie um das Atomzeitalter geht, sondern um die spezifische Bezeichnung isländischer Literatur. Da wäre ein Hinweis hilfreich.
(So wie in Deinen Antworten auf Kommentare hier.)

HG Jutta

 W-M meinte dazu am 02.12.18:
Danke sehr! Und ja, Du hast recht, ein Hinweis wäre sewhr hilfreich ... für mich, der ich Atomstation ((isl. Atómstöðin) gelesen und mich eingehend mit den Atomdichtern befasst habe, ist es selbstverständlich, auch ohne Erklärung oder Hinweis ... und so ganz weit weg vom Atomzeitalter sind der Dichtungsstreit, mit ausgelöst durch das Eindringen der Moderne in Ísland mit der Unabhängigkeit am Ende des 2. Weltkriegs und der anschließenden Einrichtung eines amerikanischen Stützpunktes zu Beginn des Kalten Krieges gar nicht. Ich höre gerade eine interssante Sendung von Wolfgang Schiffer dazu, der die neue isländische Dichtung nach den Atomdichtern gerade nach Deutschland bringt.

Ich werde die Hinweise als Links oben einfügen, auch auf die Gefahr hin, dass sie vom Gedicht selbst ablenken könnten. Man kann das Gedicht auch unabhängig davon als Gedicht lesen, auch unter dem Aspekt einer Bedrohung der Menschheit durch das Atomzeitalter, das "entfesselte Atom"?!

 W-M meinte dazu am 02.12.18:
besonders ans herz legen will ich dir das wdr-radiofeature
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