Wir Verlierer sind Menschen, die etwas verloren haben, das uns so wichtig war, dass der Verlust es vermochte unser Wesen zu verändern. Jene Veränderung aber besteht darin, dass wir vorsichtig geworden sind und nun alles, was wir gewinnen, zugleich auch als potentiellen Verlust begreifen, der vielleicht noch nicht eingetreten, aber irgendwann möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich ist. Jede Freude, die sich uns bietet, erhöht die Fallhöhe und da wir Verlierer naturgemäß häufig zu begeisterungsfähig sind, ist jedes Gran vom großen Glück, jeder Splitter, eben kein Trost, sondern zugleich auch unsere größte Gefahr. Am liebsten ist uns daher nun häufig das kleine, das beständige Glück, der Becher Kaffee am Morgen, die Zigarette nach dem Essen, der Spaziergang mit dem Hund, Dinge, die wir kontrollieren, die wir planen können, und dies nicht, weil solche kleinen Freuden einfacher zu erlangen sind, sondern weil ihr Verlust nicht so weh tut und im schlimmsten Fall sogar verschmerzbar ist. Wir besitzen nur noch gerne Dinge, die man ruhig auch verlieren kann, alles andere macht uns Angst, alles andere lässt uns erzittern. So versuchen wir uns im kleinen Glück einzurichten, anfangs zunächst nur für den Übergang, nur für kurze Zeit, weil der Schatten vergangenen Glücks noch so präsent, der Mangel noch so übermächtig ist. Zunächst sind wir noch überrascht, dass das so einfach geht, dass das kleine Glück möglich ist, dass der Schmerz irgendwann nachlässt und das alte, das große Glück, mehr und mehr wie eine Illusion, eine Kindergeschichte, eine Fata Morgana an den Rändern unserer Erinnerung scheint. Wir können es dann kaum fassen, dass wir das gewesen sind, die einmal so fühlten, so selbstverständlich in dem Zustand wohnten, der uns nun so fern liegt, dass wir es waren, die da so litten, so begehrten, so verzweifelten. Nichts aber erscheint uns irgendwann bedrohlicher als die Hoffnung auf das große Glück; sie ist uns ein Gift, das wir uns bei jeder Gelegenheit aus den Wunden saugen, und so ist uns irgendwann nicht mehr der Verlust sondern eben jene Hoffnung der größte Feind geworden, den wir scheu und verschämt aus dem Dunkel beobachten, wenn er gelegentlich an unseren Verstecken vorbeimarschiert. Dies ist es wohl, was uns Verlierer vor allen anderen auszeichnet.