Tiden

Kurzprosa

von  autoralexanderschwarz

Immer wenn der Wahnsinn beginnt von unten an den Haarwurzeln zu ziehen, schaukelt er sich in Trance, wippt als Kinderkopf hin und her, bis irgendwann alles rhythmisch schwappt und das träge Gehirn mit sanften Schlägen gegen die Schädeldecke gedrückt wird. Als Kind ist er immer so gerne geschwommen, jetzt hat er Angst vor Wasser und den Gezeiten und doch wäre er am liebsten dort, tief unten im eigenen Kopf, genau an dieser Stelle zwischen Hirn und Wand, dort könnte er sich wohlfühlen, sich räkeln, schweben, ein kleines Gerinnsel nur, ein letzter Wirbel und furchtlos-friedlich-(leise)-still. Dort könnte er sich endlich auflösen.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (20.06.19)
Keine Ahnung, um was es hier gehen soll.

 Isaban meinte dazu am 20.06.19:
Meine Interpretation: um eine Form der temporären Selbstauslöschung.
Wenn Kinder Schreckliches erleben, beamen sie sich (leider nicht körperlich) in eine andere Dimension, eine, die schmerzfrei funktioniert, eine, in der sie noch Kind sein dürfen, eine, in der dieses Unglück nicht geschieht.
Der Protagonist dieses Textes ist anscheinend erwachsen, sehnt sich aber in die Zeit zurück, als das "Wegschaukeln", wenn der Wahnsinn/das Grauenhafte das Regime übernimmt, noch so einfach war. Er sucht einen sicheren Ort, einen, der ihn aus dem Schlamassel entfernt, vielleicht sogar einen, mit dem er verschmelzen kann, ein Rückzugsort, der ihm die Schrecknisse des Lebens auf Dauer erspart.

LG Isaban

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 20.06.19:
Mir scheint es eher das Innenleben eines geistig behinderten Erwachsenen zu sein, aber das ist nur vermutet.

Antwort geändert am 20.06.2019 um 15:18 Uhr

 autoralexanderschwarz schrieb daraufhin am 20.06.19:
@Dieter_Rotmund: Eine Interpretation ist nahezu immer eine Vermutung.
@Isaban: Ja, so ähnlich ist es gedacht.
Danke für eure Kommentare.
Gruß
AlX

 AchterZwerg (20.06.19)
Es geht aus meiner Sicht nicht um temporäre, sondern um finale Selbstauflösung ("dort könnt er sich endlich auflösen).
Es geht um eine Erinnerung, die sein kindliches Dasein geprägt hat: Dieses Gefühl des Tauchens und Schwimmens, das ein Oben und Unten vergessen lässt und die Stille, die das Glück einer Trance ausmacht.
Das hospitalistische Wippen lässt auf frühkindliche Traumata schließen, auf ein allein gelassenes Kind. Ein nunmehr erwachsenes Kind, dem jetzt selbst der Trost des Nicht-Fühlens versagt bleibt. Und der Wechsel der "Gezeiten.".

Sehr gut gefällt mir der Übergang des Wasserbildes in das menschliche Hirn.

Beifällige Grüße
der8.

Kommentar geändert am 20.06.2019 um 16:51 Uhr

 autoralexanderschwarz äußerte darauf am 20.06.19:
Ja, sehr schön.
Beifälligen Gruß zurück
AlX
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