Das hier ist keine Literatur, ich bin einfach nur einsam.

Text

von  Marlena

Leon hat mich besser gefickt als alle anderen, das kann man schon so sagen. Warum das wichtig ist? Weil das das einzig positive war. Die Argumentationskette ist kurz: es war ein guter Fick, mehr nicht. Schlussendlich erklärt das überhaupt nichts. Es erklärt nicht weshalb ich durch ganz Deutschland gefahren bin, weshalb ich seine Drogen bezahlt habe, oder warum ich auch Jahre später noch darüber schreibe. Aber er war gut, ja. "Sex und Drogen sind die einzigen Dinge, in denen ich was tauge." Hat er mal zu mir gesagt, während ich nackt im Bett eine Kippe geraucht habe und er sich das Aluröhrchen in den Mund steckte. Alle reden immer davon, wie scheiße Drogen sind und vermutlich stimmt das auch, aber wenn du ein Haufen Scheiße bist und du dich dein ganzes Leben lang so gefühlt hast, dir dein ganzes Leben lang bestätigt wurde, dass es für dich kein Los zum Glück gibt, du nicht mal genug Geld hast um dir Nieten zu kaufen, dann ist das alles, was dich nah genug dran kommen lässt. Und Leon war ein Haufen Scheiße, nicht groß genug als dass er Frauen sofort auffallen würde, nicht intelligent genug als dass er bei den Eltern Eindruck schinden könnte und weiß Gott nicht erfolgreich.

Das Leben am Rand der Gesellschaft ist nicht immer ungeplant, aber ihr sitzt Zuhause, schaut euch Trainspotting an, habt damals in der Schule "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" gelesen und jetzt denkt ihr, ihr wüsstet wie das läuft. Ihr denkt dass so keiner leben will, dass das Scheitern der gescheiterten Existenzen ein Fehler im System war, ein tragischer Unfall oder das Erbe einer bestimmten Schicht. Ihr irrt euch. Manche Menschen wollen so leben. Sie wollen die Ämter bescheißen um sich vom Hartz 4 den besten Stoff zu kaufen, den sie so finden können. Sie wollen in einer spärlich eingerichteten Wohnung high auf einer Matratze liegen. Sie wollen kein Teil dieser Gesellschaft sein, weil diese Gesellschaft sie auch nie wollte und sie nun denken, dass die eigene Drogenabhängigkeit der letzte Rebellionsversuch sei, egal ob jemand ihre erhobene Faust dabei sieht, oder nicht.

Ob das nun gut zu meiner rebellischen Phase gepasst hat? Sich einen bad boy zu suchen, mit der Intention ihn zu retten? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es Zeiten gab, in denen ich dieses Leben führen wollte. Sagt mir was ihr wollt, aber irgendwann schaut man auf all seine richtigen Entscheidungen zurück, auf den lückenlosen Lebenslauf und man fragt sich, ob man was verpasst hat. Absolut zugedröhnt die ganze Nacht zu ficken und halb gefrorenen Apfelkuchen zu essen ist sicherlich kein akademischer Grad, aber ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich alles ausprobiert habe und manchmal ist die Hölle nicht grauenvoll und furchteinflößend, sondern einfach nur warm.


Anmerkung von Marlena:

Ich sage gerne "ficken".

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Kommentare zu diesem Text


 PeterSorry (07.05.20)
Starke Schreibe.

 Marlena meinte dazu am 08.05.20:
Danke.

 Dieter_Rotmund (07.05.20)
Ganz ähnlich wie Xenias Erzählfigur, aber besser umgesetzt.

Es gibt übrigens noch weitere interessante Filme, die sich mit dem Drogenkonsum bzw. der Erfahrung mit Drogen auseinandersetzen, z.B. Fear an Lothing in Las Vegas (1998) oder Blueberry (2004) und auch Easy Rider (1969) hat eine Drogenerlebnisszene, wenn auch keine gute, wie ich finde.

 Marlena antwortete darauf am 08.05.20:
Ich hasse solche Filme. Die einzigen, die sich daran amüsieren sind 15 jährige kiffende Jungs, die zu viel wichsen.

(Dennoch danke für die Empfehlung, nachdem du mich so oft scheiße fandest!)

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 09.05.20:
Ich finde hier nur bestimmte Texte "scheiße", nicht aber die Verfasser - die nämlich kenne ich gar nicht.

 Augustus (08.05.20)
Nun ja, durchaus mögen wohl einige Leser solches zu lesen. Allein scheint mir, dass die hier verwendeten Motive an die amerikanische Literatur der Nachkriegszeit angelehnt sind. Die sogenannte Beat Generation spiegelt ebendiese Motive wieder, die hier präsentiert werden.
Ich halte es schwierig Sex und Drogen in Form der Literatur den deutschen Lesern zu verkaufen. Möglicherweise dem sensationsgeilen Publikum, das kaum in der amerikanischen Literatur bewandert ist. Und so verhält es sich gleich mit dem Zauberer und dem Zuschauer, solange dieser nicht hinter den Trick kommt, bleibt er amüsiert, doch sobald er ihn raus hat, breitet sich die Ernüchterung aus. Einen ernüchterten Leser wird so ein Text leider nicht befriedigen, jedoch die Leser, die völlig in Unkenntnis der amerikanischen Literatur schweben, ja.

Ave

Kommentar geändert am 08.05.2020 um 10:50 Uhr

 Marlena äußerte darauf am 08.05.20:
Ich sitze nicht Zuhause und überlege mir, inwiefern mein Text an die amerikanische Literatur der Nachkriegszeit erinnern könnte und ob das somit mögliche Leser und Leserinnen langweilt.

Ich mag Drogen und Sex und deshalb schreibe ich darüber, ich bitte dich den Titel in deine Analyse einfließen zu lassen.
"Das hier ist keine Literatur (...)"

Achja, was ist der Trick hinter multiplen Orgasmen auf Heroin?
Sätzer (77)
(08.05.20)
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 Marlena ergänzte dazu am 08.05.20:
Danke, da alle meine Texte autobiographisch sind, find ich's schön dass sie auch authentisch wirken.
Sätzer (77) meinte dazu am 08.05.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 minze (12.05.20)
Mag ich mehr als den Muttertext,finde hier gelingt es dir,einen Sog zu bilden.es ist dicht, hat Speed,vll weil ein Thema klar beleuchtet ist. Dieses" ich gegen euch,ich gegen die Gesellschaft, ihr habt keine Ahnung" und so auch als direkte Ansprache an einen Leser finde ich etwas gekünstelt,es nimmt deinem Tect Perspektiven.also zb sich in die Protagonisten einzufühlen, sich mit ihnen zu identifizieren. Bleib doch lieber bei denen,anstatt der Gesellschaft Leser blabla zu unterstellen,sie wären das schwarzweiße Gegenteil.Nur so mein Gedanke!
(Nochmal meine Smartphonesplitterfehler korrigiert argh!..sorry)

Kommentar geändert am 12.05.2020 um 14:18 Uhr

 HerrSonnenschein (14.05.20)
Alter Falter. Jetzt bin ich ein Fan von dir.

 RainerMScholz (15.01.22, 00:16)
Ich wollte damals so sein wie die Kinder vom Bahnhof Zoo, ich habe das Buch verschlungen und war geil auf die antibourgeoise Einstellung, den sinnlosen Anarchismus und die Selbstzerstörung. Die Literatur hat das gemacht, was sie kann - das Gegenteil Irgendein Punk hat mir dann das Buch geklaut.

Dann habe ich mir das näher angeschaut.
Grüße,
R.

 WinstonSmith meinte dazu am 22.10.22 um 02:23:
Liebe Marlena,

nun, Du lässt leider nach. Es geht hier nicht nur um Voyeurismus für den Leser. Der Text wirkt auch mich weniger kreativ, fast banal. Du bist sicher imstande, mehr zu leisten!

Liebe Grüße
Winston Smith
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