Aus dem Leben eines Obdachlosen - Brief aus dem Krankenhaus

Text

von  pentz

Ich muss mich hier outen.
Der Beitrag "Brief an meine Mutter in dieser Zeit" wurde zwar von ihm, meinem Freund und Obdachlosen im Krankenhaus geschrieben, aber von mir veröffentlicht, wie es im Sinne des Briefschreibers ist. Der Brief korrespondiert gut zu dem, was er in dem als Roman und Erzählung angelegten Beitrag zur Literatur und zu Literaturforen geschrieben hat. Im ersten Kapitel erwähnt er bereits die Ursache seiner Obdachlosigkeit, nämlich die mütterliche Außerachtlassung beim Erben der Immobilien, die die Mutter besessen und mit Hilfe ihrer Kinder, auch ihm, aufgebaut hatte. Alles wurde der Schwester übertragen. Zwar hatte er quasi ein Wohnrecht, ein moralisches und auf Gewohnheit beruhendes, aber die Schwester klagte ihn aufgrund Eigenbedarfs ihrer Kinder aus der Wohnung. Der Obdachlose scheint ein sehr enges Verhältnis zur Mutter gehabt zu haben - nicht selten bei ledigen und kinderlosen Kindern übrigens -  und seine emotionale Verbundenheit war derartig eng und stark, daß er einen Brief an seine verstorbene Mutter verfasst hat.
Daß es nicht einfach ist, in unserem Kulturkreis, besonders im katholischen, seiner Mutter Vorhaltungen zu machen, zeigt die Reaktion auf diesen Brief. Daß überhaupt eine Reaktion in einem Literaturforum erfolgte, ist bereits bemerkenswert. Leser verkneifen sich es offenbar lieber, ihre Gefühle, Einstellungen und Reaktionen zu äußern, als diese öffentlich kundzutun - jedenfalls, sowie ich dies auf den drei Portalen ersehen kann, auf dem er veröffentlichte. Die Reaktion eines Lesers, zumal des Administrators dieses einen Literaturforums, finde ich wert, gleichfalls zu veröffentlichen, da es das Motiv, einen Brief an seine Mutter zu verfassen und öffentlich zu machen, zudem erhellt. Es beweist und zeigt die Bürde, die ihm aufgetragen war, dies zu tun. (Spielt es eine wesentliche Rolle, daß der Adressat, die Mutter, zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war?)
Ich werde zuerst den Brief an die Mutter hier hereinstellen, dann die Korrespondenz zwischen Leser und ihm, die ich geführt habe, nicht vorher den Obdachlosen über die Einwände des Leserbriefes zu informieren und zu besprechen. Die Reaktionen auf die Leserbriefe sind zwar von mir verfasst, aber im Sinne des Obdachlosen geschrieben.

BRIEF AN DIE MUTTER IN DIESER ZEIT (Frühjahr 2021)

Liebes Mütterchen, danke für Deinen Brief!

Geht es Dir wirklich so schlecht, fühlst Du Dich so hundsmißerabel, daß es auf keine Kuhhaut mehr passt? Deine Mitbewohner sacken auch immer mehr ab, wie Du schreibst. Sie dürfen kaum Besuche erhalten, die ehemals lebenswichtigen Eventereignisse, will heißen Unternehmungen wie Singen, Tanzen und Spielen sind gestrichen und so kümmert Ihr in Eueren Zimmern vor Euch hin, daß es nur mehr wie in der Wüste ohne Wasser zugehen mag. Wenn ich dies höre, blutet mir das Herz, die Seele trägt Trauer und Schmerz, aber nur Deine Tochter, der Du die Versorgung zugeschrieben hat, darf Dich besuchen. Sie spielt meines Wissens zwar nicht Gitarre, Klavier und Flöte, aber letzteres zumindest schon, was sie aber aus Stolz und dem Getuschel Ihrer bekannten Mitmenschen im Beschäftigungspersonal des Heimes nicht tun wird, wie ich sie einschätze. Stattdessen sitzt sie wohl stolzgeschwellt da hinsichtlich ihrer Kinder, Ihres zu erwartendem Erbes und was auch immer noch. Nun, es ist nicht verwunderlich, da Du ihr den Löwenanteil desselben vermacht hast, vermutlich weil sie die Kinder und die Fortfolge des Blutes gesichert hat, was in meinem Alter Deiner Einschätzung nach nicht mehr geschehen dürfte. Tja, Blut- und Bodenmythos, ist Dir wohl bekannt. Dabei dachte ich immer, ihr wärt von den Nazis verfolgt worden, was ich auch glaube, denn dies hast Du gesagt, als  Du bereits „dement“ warst: "Das Landratsamt hat gewußt, daß wir gegen die Nazis waren". Trotzdem warst Du beim Bund-Deutscher-Mädels, trotzdem sind Deine Brüder aus Treuepflicht dem Vaterland zuliebe am letzten Tage des Weltkrieges in der Ukraine gefallen, trotzdem lässt Du nicht Gerechtigkeit walten bei der Erblassung, daß jedes Deiner Kinder den gleichen Anteil bekommt.
Die Situation im Altenheim, wo ihr so gut wie total isoliert seid, obwohl alle Heiminsassen bis auf zwei, weil die Angehörigen dies nicht geschehen lassen wollten, geimpft sind und das Pflegepersonal müsste auf Grund seiner Professionalität es getan haben, ist also katastrophal. Nun, diejenigen Deutschen, die schon immer von „Deutscher Gründlichkeit“ gesprochen haben, haben Euch wieder die Suppe eingelöffelt, insbesondere in Person der derzeitigen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit Deinem Verhalten hinsichtlich des zu erwartenden Erbes hast Du Dich damit gleichfalls auf deren Seite gestellt, meiner Einschätzung nach. Es ist folgerichtig, daß „Deutsche Gründlichkeit“ wie ehemals zu Deiner Kind- und Jugendzeit in die Katastrophe, in die menschenverachtende Behandlung und schließlich in die Konzentrationslager. Davor habt Ihr doch in Euerer Familie stets so furchtbare Angst gehabt, daß die Großmutter in Dachau landen wird, wenn sie nicht ihre Goschen hält und auf diese strammen, frechen, unverschämten SS-ler schimpfte. Großmutter hat auch ihre Kinder nicht gerecht behandelt letztlich, worüber sich unser Vater echauffiert hat, wobei er dann wie Du diese erlittene Ungerechtigkeit selbst wieder an sein Kinder weitergegeben hat.
Wie soll man Euch verstehen?



Leser:
Pentzw hat geschrieben:
Wie soll man Euch verstehen?

würd _versetz ich mich in d entsprechend vorbelastet Empfängerin_ an Euch dieselbe Frage richten und gern den Brief lesen, der s leider nur bis in d zweite Zeile schafft_ bevor s wie vermutet arg wird.

Pentzw:
Deine Frage wäre schön, wenn sie von Dritten beantwortet werden würde.

Scheinbar berührt Dich meine Verbundenheit zu meiner Mutter sehr, hast Du selbst mal in einer Antwort auf einen anderen Beitrag meinerseits erahnen wollen, dass sie bei mir sehr stark bestünde und mit Deinem Landsmann Sigmund Freud zu sprechen, - was Du siehst bist Du - so verstehe ich Deine verschreckte Reaktion durch und durch, was ich Arges über meine Gebärerin schon nach der zweiten Zeile berichten muß...

Mein betroffenes Mitgefühl!

Leser:
Pentzw hat geschrieben:
Scheinbar berührt Dich meine Verbundenheit zu meiner Mutter sehr


nicht deiner, sondern einer Mutter. Wer immer das auch sein mag. Drum find ich den Brief in vorliegend, zum Teil extrem geschwollen Form, schlicht gesagt kontraproduktiv. Wenn ich auf diese Art mit ner Mutter in Pflege korrespondieren würd, hätt ich _abgesehen davon, dass mir betont Querverbindungen in Sachen Zeitverschiebung und subjektiv Vergangenheitsbewältigung selbst nicht geheuer wären_ auch noch Angst, mit besagt Wortwahl genau das auf d Vorwurfsvolle zu torpedieren, was ich der Empfängerin _Groll hin oder her_ von Herzen wünsche: ein in Würde Altern und n möglichst unbelastet langes Leben.

Pentzw:
"extrem geschwollen", tut mir leid, aber ich habe den Brief in einem Zug heruntergeschrieben, so wie ich schreibe, so denke ich, das ist meine natürliche Sprache.

"In Würde altern", bittesehr, was soll das sein?
Jeder Mensch will als Mensch behandelt werden, nicht als Alter, auch und insbesondere meine Mutter, die sich stets sehr jugendlich und fortschrittlich gebärdet hat, aber dann leider im Altern konservativer als selbst der deutsche Staat erlaubt geworden ist, indem sie zum Beispiel am liebsten das von mir und anderen Geschwistern mühselig gebaute Haus an ihre Enkelkinder verschenken bzw vererben wollte, was für sie leider juristisch nicht möglich war.

Mutterliebe hin oder her, aber Kinder sind wie eine Ehe eine Art Zugewinngemeinschaft, die man nicht berechtigt ist nach Belieben zu verfahren und auszubeuten, zumal die Kinder wie ich körperliche Schäden dabei, beim Bau des Hauses, davongetragen haben.
Der Witz oder die psycho l o g i s c h e UNLogik ist bei meiner Mutter und meinem Vater, dass sie das gemacht haben, was ihnen selbst als negativ erlebt widerfahren ist.



Natürlich würde sich mir die Sache erleichtern, wenn Leser finanzielle Hilfe zuschicken würden, was zum Beispiel an seinem Paypal-Konto möglich ist.
pentzw@web.de
oder über die Daten auf seiner Homepage.
pentzw.homepage.t-online.de


© Werner Pentz

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