Holm Tetens: Gott denken

Kirchenlied zum Thema Esoterik

von  Terminator

Holm Tetens, Logiker und analytischer Philosoph, verfasste 2015 die kurze Monographie "Gott denken. Ein Versuch über Rationale Theologie" als ein Contra zu seiner eigenen naturalistischen Weltanschauung. Logisch und analytisch zeigt er auf, dass im Prinzip nichts der Aussage "Wir Menschen sind Geschöpfe des gerechten und gnädigen Gottes, der vorbehaltlos unser Heil will" widerspricht, und wir uns nur aus Gewöhnung an das evolutionär-materialistische Paradigma an das folgende Dogma halten: "Wir Menschen sind nichts anderes als ein Stück hochkompliziert organisierter Materie in einer rein materiellen Welt".


Dem Christentum hat mich das Buch nicht wieder nähergebracht, aber ich musste wieder mal an Thomas Kuhn denken: nichts in der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte wird wirklich widerlegt, es finden nur Paradigmenwechsel statt. Aber auch in der Lebenswelt ist es nicht anders: um 1950 war going steady die Norm, um 1970 war es bourgeois und "so was von out", und 1930 war wiederum casual sex die Norm, wohingegen die viktorianische Sexualmoral ein paar Jahrzehnte vorher sehr streng war, aber auch wiederum nur als Backlash gegen eine mit der Industriellen Revolution einhergegangene Lockerung der Sitten. Also: Gott kommt wieder. Sex kommt ja auch immer wieder.


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Kommentare zu diesem Text

amalfi00 (70)
(04.06.23, 14:13)
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 Graeculus meinte dazu am 05.06.23 um 13:25:
Daß Newton nicht widerlegt wurde, ist ja das, was Th. S. Kuhn behauptet und Terminator m.E. korrekt wiedergibt: kein naturwissenschaftliches Modell wird widerlegt, sondern durch ein anderes, als günstiger angesehenes Paradigma abgelöst.

Ein gutes Beispiel dafür ist das ptolemäische Weltbild: Es nimmt (naheliegenderweise) die Perspektive von der Erde aus ein, und da dreht, wie man sehen kann, die Sonne sich um die Erde; man ist dann allerdings zu komplizierten Beschreibungen der Planetenbahnen (Epizyklen) genötigt. Kopernikus hat dies nicht widerlegt, sondern durch eine andere Perspektive, von oben auf das System gesehen (seinerzeit eine nur fiktive Perspektive), ersetzt; weil dadurch die Annahme der Epizyklen überflüssig wurde, hat sich diese Perspektive durchgesetzt.
Einstein schließlich hat festgestellt, daß Bewegung nur von einem bestimmten Bezugspunkt aus gemessen werden kann (also relativ ist) und dadurch beide Modelle, das ptolemäische und das kopernikanische als legitim beschrieben. Es kommt auf die Perspektive an - ein drittes Paradigma, das keines der beiden vorangehenden widerlegt.

(Ich bin kein Physiker hoffe, jetzt keinen Fehler gemacht zu haben.)

Daß Krankheiten durch Dämonen ausgelöst werden, ist ebensowenig widerlegbar wie die Annahme, daß sie durch Bakterien und Viren ausgelöst werden. So sagte ein Anhänger des Dämonen-Modells, als man ihm im Mikroskop die Bakterien zeigte: "Da sind sie ja, die Dämonen!"

Vgl. die Gedanken von Willard Van Orman Quine, Nelson Goodman, Imre Lakatos, Paul Feyerabend sowie den späten Wittgenstein.
Es läuft darauf hinaus: Jede beliebige Aussage über empirische Sachverhalte kann verteidigt werden, wenn man entsprechende Adaptionen im Gesamtsystem vornimmt. Die Entscheidung für ein neues System ist arbiträr und wird durch keine Widerlegung des alten erzwungen.

Antwort geändert am 05.06.2023 um 13:28 Uhr

Antwort geändert am 05.06.2023 um 13:31 Uhr
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