Grenzzwischenfall

Satire

von  Solvy

Rita ruckelte die Einkaufstaschen zurecht, immer noch ließ sich die Heckklappe nicht schließen. Sie räumte alles wieder aus. Beim Betrachten der Tüte fiel ihr eine Keksdose ins Auge. Darauf hatte sie jetzt Appetit. Kurz entschlossen verfrachtete sie die Köstlichkeiten auf den Beifahrersitz, füllte den leer gewordenen Platz in der Tasche mit Dingen, die bei anderen überstanden, und räumte sie so in den Kofferraum zurück. Jetzt passte es, ohne dass etwas Schaden nahm.

Zufrieden setzte sie sich wieder hinters Steuer, schenkte sich einen Kaffee aus der Thermoskanne ein und genoss die Kekse. Als ihre Freundin Helga mit ihrem Einkauf zurückkehrte, für den Rita extra die Rückbank freigelassen hatte, bot sie ihr ebenfalls das süße Gebäck an. Sie gerieten ins Plaudern über ihre Erlebnisse und füllten ihre Mägen, bis die Dose leer war.

Ach, das ist gut. Dann kann ich die losen Kleinigkeiten darein füllen. So sind sie sicher verstaut“, stellte Helga zufrieden fest.

Was ich mich freue nach Hause zu kommen“, frohlockte Rita und startete den Motor.


Am Grenzübergang zur Schweiz reihten sie sich in die Schlange für Ausfuhren ein. Es muss ja geprüft werden, ob sie neben den deklarierten Gütern auf den Rechnungen noch weitere Sachwerte über die Grenze bringen wollten. Der Zollbeamte winkte sie heran und fragte, ob sie etwas in Deutschland eingekauft hätten.

Ja, klar“, strahlte Rita, „dafür kommen wir doch zu euch!“ Ihr Lächeln wurde nicht erwidert.

Dann zeigen Sie mal bitte die Rechnungen und die dazugehörigen Waren“, forderte der Zöllner sie auf.

Oh, dachte Helga, da sind wir aber an einen Todernsten geraten.

Rita machte den Anfang: Nach und nach räumte sie die Taschen aus und es wurde alles mit den Bons verglichen.

Hier fehlt etwas“, stellte der Beamte in einem überheblichen Ton fest. Über den Rand seiner Lesebrille musterte er Rita.

Ja, was denn?“, staunte Rita. „Ich habe alles eingepackt.“

Kommen Sie mal zu mir und schauen Sie sich das an!“ Er strich mit rotem Stift eine Zeile auf dem Bon an: Schokowunder 2 4,99 €.

Ach so“, lachte Rita und schlug sich die Hand auf den Mund. „Da kann ich Ihnen nur noch die Verpackung zeigen.“ Flinken Schrittes umkurvte sie den Beamten, öffnete die Hintertür und holte die Silberdose heraus. „Hier ist das Wunder!" Freudestrahlend streckte sie diese dem Zöllner entgegen.

Doch als sie in sein Gesicht sah, verging ihr das Lachen. Seine Augen wurden zu Schlitzen und strenge Falten gruben sich in seine Stirn. Er nahm sie ihr entschieden aus den Händen und schüttelte, "Und was klimpert da?“, forschte er nach. „Ein bisschen Schmuck, den wir nicht verzollen wollen?“

Was? Nein…äh … nein…“, stotterte Rita.

Helga sprang ihr zu Hilfe: „Das sind meine Einkäufe, alles Kleinigkeiten."

Wie bitte?“, höhnte der Zöllner weiter. „Sie wollen also was vor mir verstecken und bewusst Verwirrung stiften. Das wird ja immer schöner“, tönte er empört.

Er riss den Deckel ab und schaute auf Lollis zwischen Kekskrümeln.

Was war hier drin?“

Na, Kekse“, antwortete Rita leise.

Und wo sind die jetzt?“

Ach, wissen Sie, wir hatten so einen Appetit auf Kekse zum Kaffee, dass wir nicht aufhören konnten …“, schwärmte Helga.

Ah so! Welchen Kaffee denn?“

Na, den aus der Thermoskanne, die wir mitgenommen hatten.“

Haben sie den auch ausgetrunken?“

Sicher, zum Krümelrunterspülen“, erklärte Rita.

Wo ist die Kanne?“, herrschte er sie an. „Wollen doch mal sehen, was da jetzt drin ist.“

Die beiden Freundinnen schauten sich verwundert an. Doch viel Zeit hatten sie nicht. Denn der Beamte begann bereits, die Fußzonen zu kontrollieren und unter den Sitzen nach Schmuggelgut zu suchen. Er kam wieder hoch, bat einen Kollegen, der aufmerksam geworden war, darum Kisten zu holen, um die Einkäufe getrennt sicherzustellen, und ihm das Werkzeug und den Hund zu bringen.

Was wollen Sie denn jetzt?“, fragten beide Frauen unisono in leicht gereizten Ton.

Das kann ich Ihnen sagen: Es wurde von Ihnen versucht, Einkäufe zu tarnen, um sie unverzollt über die Grenze zu bringen. Außerdem sind angegebene Behältnisse nicht auffindbar, in denen sich weitere Schmuggelware befinden könnte. Und Sie haben versucht den Zoll zu behindern, indem Sie Gebäck in großen Mengen zu sich genommen haben, um möglicherweise anderes Schmuggelgut im Körper zu verstecken; es sozusagen sich zu versüßen beim Herunterschlucken. Deshalb wird Sie mein Kollege jetzt mit hineinnehmen und Ihnen Abführmittel verabreichen.“

Was?!“, ruft Helga entsetzt. „Sind Sie irre?“

Vorsicht, junge Dame, sonst kommt noch Beamtenbeleidigung dazu!“ Er drehte sich um zu seinem Kollegen: „Nimm sie mit, während ich das untersuche!“

Meine Damen, ich darf bitten!“ Der junge Kollege versuchte sie mit seinen Armen zum Gebäude zu geleiten, berührte dabei allerdings Rita am Ellbogen.

Fassen Sie mich nicht an!“, herrschte sie den Beamten an. „Und anstelle mir Abführmittel zu geben, sollten Sie lieber ihren Vorgesetzten holen.“

Der Beamte hüstelte. „Sie haben meine Vorgesetzten bereits kennengelernt …“ Mit diesen Worten blickte er sich leicht zu ihrem Auto um.

Na, super“, stöhnte Helga auf.

Aber Rita gab nicht auf: „Und was ist mit dem Dienststellenleiter?“

Der hat bereits Feierabend.“

Ach, so ist das! Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Sie meinen wohl, ohne Aufsicht können Sie sich alles erlauben!", schimpfte Rita.

Helga fasste ihre Freundin an den Unterarm und sagte: „Lass gut sein, Rita, sollen die doch in unserer Scheiße wühlen.“

Unwirsch zwang sich Rita ein angedeutetes Lächeln ab: „Du mit deinem Galgenhumor!“


Während die zwei Freundinnen die Niederkunft der unverdauten köstlichen Schokokekse erwarteten, montierte der Zöllner alle Verkleidungen von Ritas Auto ab, untersuchte den Tank, leuchtete den Fahrzeugboden ab und ließ keinen Quadratzentimeter aus. Verdächtige Schmuggelbehältnisse legte er in die Kiste mit der Bezeichnung „Beweismittel“.


Verschwitzt und mit Kisten beladenen, dreckigen Händen trat er in das Dienstgebäude.

Jetzt werden wir gleich wissen, was die Damen so mit sich führen.“ Er stellte seine Last ab und ließ sich in seinen Bürostuhl fallen.

Lange brauchte er nicht zu warten, da öffnete sich die Tür des Untersuchungsraums und mit gesenktem Haupt betrat sein Untergebener das Büro.

Chef?“

Ja? Was haben wir?“

Naja, Scheiße eben.“

Puterrot lief das Gesicht des Hauptmeisters an: „Das gibt es nicht …“ Wütend stampfte er in den Untersuchungsraum, wo Rita und Helga ihn bereits erwarteten.

Bitte der Herr – unser Schmuggelgut. Leider nicht mehr zum Verzehr geeignet“, feixte Helga.

Können wir jetzt gehen?“, fragte Rita den Zöllner mit einem übertrieben unterwürfigen Ton.

Ja, aber erst, wenn Sie ihre Strafe bezahlt haben!“

Welche Strafe?!"

Für Falschdeklaration und einen Täuschungsversuch. Außerdem wegen unsachgemäßer Ausfuhr von Naturalien.“

Bitte, was?“

Ich verhänge für jede von Ihnen ein Bußgeld in Höhe von 100 €!“ Mit diesen Worten ließ er sie stehen, kehrte an seinen Schreibtisch zurück und stellte sich dem dazugehörigen Formularkrieg. Zu seinem Verdruss war auch die Kaffeekanne leer und die Lollis wurden auf den Bons gefunden. Die Kekse hatte er gerade höchstpersönlich betrachten dürfen.

Rita und Helga nahmen die Bußgeldbescheide entgegen, nicht ohne direkt anzukündigen, Widerspruch einzulegen.

Das ist mir gleich, aber bezahlen müssen sie es vor Ort. Bar oder mit Karte?“, fragte der Zöllner sie mit blitzenden Augen.

Und wenn wir uns weigern?“

Behalten wir die Einkäufe ein!“

Unsicher, was sie tun sollten, blickten die Freundinnen sich an. Rita schaute dabei in Richtung Fenster und erstarrte: Ihr Auto war nicht wieder zu erkennen.

Das geht zu weit! Ich will sofort den Dienststellenleiter sprechen, sonst finden Sie sich morgen im Internet wieder!“ Sie zückte ihr Smartphone, filmte ihn und dann das Auto, ging in den Untersuchungsraum, um auch das Schmuggelgut festzuhalten. Alles kommentierte sie entsprechend.

Die beiden Zollbeamten hatten damit nicht gerechnet. Als auch Helga, die ihr Smartphone auf Aufnahme gestellt hatte, sie aus sicherer Entfernung filmte, ließen sie es geschehen. Gefesselt von einer Kamera.

Ich höre auf, wenn Sie sofort das Auto wieder zusammenbauen, sich entschuldigen und alle Bescheide zerreißen.“

Der junge Zollbeamte begann sofort, ihrer Aufforderung nachzukommen. Alleingelassen ergab sich auch der Hauptmeister.

Ich habe wohl etwas übertrieben“, begann er kleinlaut, doch, um den Vorgang abzuschließen, setzte er mit bemüht fester Stimme hinzu: „Aber bitte: die 20 € wegen falscher Angaben – die müssen Sie schon noch zahlen!“

Nun ließ Helga vor Lachen fast ihr Smartphone fallen. Das war an Absurdität zu viel. Sie schaute nach draußen und erblickte Rita, wie die sie zu sich winkte. Kopfschüttelnd verließ sie mit den Worten „Weiterhin einen erfolgreichen Dienst!“ das Abfertigungsgebäude.

Sie hofften auf ihre Landsleute und überquerten die Grenze. Endlich zu Hause!




Anmerkung von Solvy:

Die Geschichte ist inspiriert von einem Erlebnis an der deutsch-schweizerischen Grenze - nur gaaaaaanz wenig übertrieben. ;)

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (02.05.22, 18:10)
Schon gestolpert bei:

...füllte den leer gewordenen Platz in der Tasche mit Dingen, die bei anderen überstanden...

Was denn bei anderen (welche andere?) überstehen?

Kommentar geändert am 02.05.2022 um 18:38 Uhr

 Solvy meinte dazu am 03.05.22 um 11:05:
... Dinge aus anderen Taschen ...

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 04.05.22 um 08:02:
Ist nicht zu verstehen.

 EkkehartMittelberg (02.05.22, 20:08)
Nicht u fassen! Dat dat dat jibt.  :)
LG
Ekki

 Solvy schrieb daraufhin am 03.05.22 um 10:52:
Aber, lieber Ekki, ist es nicht herrlich, dass es sie gibt? Sonst hätten wir doch Nichts, worüber wir schreiben könnten ... :D 
Liebe Grüße
Solvy

 FrankReich (02.05.22, 20:37)
Seltsam, nicht nur Dein Text erinnert mich just an den uralten Witz:

Was ist der Unterschied zwischen einem Pavian und einem Porsche?
Beim Pavian sitzt das Arschloch außen. 👋😂

Ciao, Frank

 Solvy äußerte darauf am 03.05.22 um 10:56:
Danke Frank, für diesen Witz - mag ja älter sein, aber immer noch zum Lachen.
Liebe Grüße
Solvy

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 05.05.22 um 12:23:
Sooooo umsympathisch finde ich die Damen nun auch wieder nicht, als dass ich sie Äffinen im Porsche nennen würde.

 FrankReich meinte dazu am 05.05.22 um 13:21:
Verdammt plumper Versuch, Dich da herauswinden zu wollen, Dieter, verdammt plump. 😂😂

Ciao, Frank

 Regina (03.05.22, 05:14)
Wo kommet mer da hin, wenn jedr in der Schyz wohne und in Dütschland eikaufe wollet?

 Solvy meinte dazu am 03.05.22 um 10:57:
... ja genau, gar nicht auszumalen!!! ;) 
Danke und viele Grüße
Solvy
tild (59) meinte dazu am 14.05.22 um 11:49:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Solvy meinte dazu am 14.05.22 um 12:13:
Danke, tild, für deinen Kommentar. Ich freue mich, dass du so lachen musstest - dafür war er gedacht :)
 Liebe Grüße
Solvy

P.S.: Vielen Dank auch für deine Empfehlung

Antwort geändert am 14.05.2022 um 12:14 Uhr
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