Zur Weihnachtszeit im Henkershaus

Ballade zum Thema Abrechnung

von  AlmaMarieSchneider

Zum Denkmal erhoben, am Ortsrand draus,

stand verlassen das alte Henkershaus.

Nur zur Weihnachtszeit begann dort der Spuk,

Dorffrauen flochten und banden Kirchenschmuck.


Im Morgengrauen schnitten die Männer das Grün,

die Buben mussten es auf Wägelchen zum Häuschen zieh 'n.

Dann wurde der Ofen rot glühend angeheizt,

die Weiber sollten nicht schimpfen, d ’rum wurde nicht gegeizt.


Die Mädchen durften die Krippe putzen,

den Königen Haare ankleben und Bärte stutzen.

Maria bekam gern ein schickes neues Kleid,

der Josef meist wieder nur eine fesche Maid.


Der Tisch war voll mit Lebensbaum und Tannengrün,

dazwischen Kuchen, Kaffee und Schnaps für die Müh ’n.

Lustig schwatzten die Damen und banden Sträuße aus Tann,

doch die alte Babett‘, klopfte nun herrisch auf die Kann‘.


Sofort hat das fröhliche Lachen aufgehört,

nicht einmal Babettes Hund, der Nero hat gestört.

Beschwörend zeigte sie ein Beil, legte es dann neben die Kann‘

erzählte nun die gar schau ’rige Geschichte vom Flammenmann.


Im Winter war ‘s zur Vollmondzeit so gegen Mitternacht,

als sich der Viktor vom Wirtshaus auf den Heimweg gemacht.

Gut gelaunt und vom Bier und Wein etwas benommen,

hat er sich die Abkürzung über die Felder ersonnen.


Wie er grad so an der Kreuzung zum Hohlweg ankam,

da sah er ihn steh 'n, den brennenden Flammenmann.

Dieser fragte nun den Bauern freundlich nach dem Henkerssteg,

gib obacht“, dachte der Viktor und beschrieb ihm den Weg.


Wie zum Dank reichte ihm der Flammenmann die Hand,

was tun überlegte der Viktor und wurde weiß wie eine Wand.

Froh spürte er das kleine Beil in seiner Tasche drin

Anstatt der Hand, streckte er dies dem leuchtendem Gesellen hin.


Der ergriff es fest und Viktor roch wie ‘s stank und rauchte,

verwirrt rätselte er, ob der nun ein Engel war oder der Erlauchte.

Rasch zog er das Beil zurück, wusste er doch, er war nicht betrunken,

dem Dorf zustrebend, glaubte er, dass es auch nach Schwefel hat gestunken


Dort angekommen, läutete er die kleine Glocke für Feuer und Sturm,

dann berichtete er aufgeregt und bleich, der arme Wurm.

Die Weiber lachten ihn aus und die Männer dachten sich ihren Teil,

nur die Babett‘ die sah die eingebrannte Hand auf dem Stiel vom Beil.


Der Viktor hat den Schreck und die Schmach nicht überlebt,

wurde bald verwirrt und ist dem Friedhof zugestrebt.

Die Babett‘ die hat ihn gern gehabt, hat das Beil an sich genommen,

und jedes Jahr zur Weihnachtszeit, da haben ‘s die Weiber bekommen.


Noch immer zur Weihnachtszeit sitzen sie beisammen im Henkershaus

Und flechten Girlanden bei Kaffee, Schnaps und einem kleinen Schmaus

Hängen dann auf, das Grün aus Lebensbaum und Tann

und erzählen von Babett‘ dem Viktor und dem Flammenmann.







Anmerkung von AlmaMarieSchneider:

Ballade nach meiner Erzählung "Der Flammenmann"

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (17.05.22, 12:49)
Diese Ballade erlebt man mit jeder Zeile mit. LG

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 17.05.22 um 13:21:
Danke AZU20, auch für Deine Empfehlung. Ich freue mich über Deinen positiven Kommentar. Mein erster Reim, meine erste Ballade.

LG
Alma Marie

 franky (17.05.22, 15:31)
Hi liebe AlmaMarie 

Ganz schön gruselig und unheimlich, auch gut verdichtet. 

Herzliche Grüße fliegen zu Dir von Franky

 AlmaMarieSchneider antwortete darauf am 17.05.22 um 15:40:
Danke Franky, auch für Lieblingstext und Empfehlung.

Herzliche Grüße auch an Dich.

Alma Marie

 harzgebirgler (18.05.22, 07:35)
das scharfrichterhaus hier an goslars rand
ist mir seit kindertagen gut bekannt -
die meisten kennen's allerdings nicht mehr
denn es fällt vergessen über vieles her.

morgengrüße
harzgebirgler

 AlmaMarieSchneider schrieb daraufhin am 18.05.22 um 10:20:
Diese alten Denkmäler können schon Geschichten erzählen  :)

Danke für Deine Bewertung und Deinen Kommentar.

LG
Alma Marie
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