Sie hat ja meine Nummer

Text

von  Thal

Mit dem Bus vom Platz der Freiheit aus unterwegs zurück ins Dorf, bin voll beladen mit Einkaufstaschen, soviel ich tragen kann. Es ist sehr warm. Kucke aus dem Fenster, denk so schlimm ist das ja alles eigentlich gar nicht. Die Fahrt geht vorbei am alten Eisladen, der Klosterruine, der Wiese auf der wir saßen, geflochtene Kränze aus Gänseblümchen im Haar, bin schon fast wieder außerhalb der Ortschaft, da meine ich sie zu erkennen, mit dem Fahrrad unterwegs zum Strand, die selbe hellbraune Jacke wie letztes Mal, die langen blonden Haare. Kann sie das wirklich gewesen sein frag ich mich, und was wenn doch? Ich muss das unbedingt wissen, muss aus dem Bus raus und mich vergewissern. 

Bis dahin fühlte ich mich den ganzen Tag über eigentlich ganz leicht, sauber und befreit. Sehe gut aus, frisch frisiert, rasiert und so, trage ein weißes Hemd und eine helle zerschlissene Jeans, fühlte mich einfach wohl. Bis jetzt, wo ich mich ehrlich gesagt nicht mehr halten kann und mich den rohen Emotionen hingebe, mich treiben lasse in der Hoffnung auf das große Reset.

An der nächsten Haltestelle steige ich aus und steh jetzt da vollbeladen in der Hitze mitten im irgendwo. Es kommt ein BMW Cabriolet angefahren und will auf die Hauptstraße Richtung Stadt, Richtung Strand, wo ich auch hin will. Gehe auf das Auto zu und beim näher kommen erkenn ich einen alten Schulfreund hinterm Steuer. Was für eine Überraschung, Bernd! Er nimmt mich das Stück mit, erzählt mir von seiner Scheidung vor kurzem, als ich ihm im Schnelldurchlauf meine verrückte Situation schildere, dass er deshalb grad auch sehr zu tun hat, sie hat einen Neuen, deshalb. Er ist ein total charakterfester und zuverlässiger Typ, schon immer gewesen und jetzt wird er sitzen gelassen für irgendsoeinen anderen. Darauf kommt es also auch nicht an - Weiber halt, weiß der Teufel.
Ich steig aus, sag bis bald. Gehe zum Strand und sehe schon ihr Fahrrad am Zaun abgestellt. Ich steige auf den Deich, der vor ein paar Jahren hier aufgeschüttet wurde. 

Damals, als sie mich nachts an die Hand genommen und gesagt hat „komm, ich will dir was zeigen“ gab es das alles noch nicht. Nur diese stille Mondnacht mit dem Plätschern der Wellen und sie, mit mir an ihrer Hand, und alles, was noch vor uns liegen sollte.
Wie oft hab ich hier noch allein an uns gedacht als die ganzen Pärchen hier nachts total romantisch im Sand lagen und ich mich dadurch noch umso einsamer gefühlt habe.

Heute ist es ganz hübsch gemacht an sich, diese ganze Strandanlage, der Hafen, nur uns gibt es uns nicht mehr, nicht mehr in dieser Form. Zwischen uns hat sich ein tiefer Riss ausgebreitet und ich verzweifle schon lange darüber, ihn wieder geschlossen zu bekommen.

Vielleicht sollte sich das jetzt endlich alles ändern. 

Von weitem erkenne ich die im Sand liegende hellbraune Jacke, beim näher kommen einen roten Bikini, jetzt sehe ich auch eine große Ähnlichkeit zu ihr, die zierlichen Füße, alles deutet darauf hin, liegt da und sonnt sich, sie könnte es wirklich sein. Ihr Gesicht ist vor der Sonne mit einem Handtuch abgedeckt, stehe direkt neben ihr und vielleicht jetzt nach einer unerträglich langen Ewigkeit ganz kurz davor den Riss zwischen uns zu schließen, den Kreis zu schließen, glücklich zu sein, wie durch und mit niemanden sonst. 

Ich nehme allen Mut zusammen und sage ihren Namen, laut und deutlich, als wäre sie immer noch mein. Eine Hand hebt das Handtuch leicht zur Seite, eine Stimme mit schweizer Akzent sagt „Nein entschuldige, das bin ich nicht.“ Konnte das wirklich sein? Ich kucke nochmal genauer hin, nein wirklich und obwohl es immer noch nicht ganz zu glauben war gehe ich davon. Etwas geknickt jetzt, ziemlich geknickt eigentlich, sage mir, wie ich nur schon wieder so blöd sein konnte und frage mich, wie ich jetzt nach Hause kommen sollte. Setzte mich noch kurz ans Ufer, halt die Füße ins Wasser, sag mir halb so schlimm, jetzt weiß ich wenigstens dass sie es nicht war, hab’s wirklich versucht und trampe die 50 Kilometer ins Dorf.

Ich hatte mir doch so fest vorgenommen so etwas nicht mehr zu tun, weil sie doch meine Nummer hat und jederzeit einfach kommen könnte und dass ich wirklich schon genug Zeit für jemanden verschwendet habe, der vielleicht nicht mal eine Sekunde an mich denkt am Tag, der mich doch einfach anrufen könnte, wenn er nur wollte.

Und was waren diese beiden anonymen Anrufe letztens, vielleicht kriegt sie ja auch einfach kein Ton raus ganz egal, wie sehr sie vielleicht auch möchte? Und weshalb dann anonym, geht es nicht offen? Dann könnte ich wenigstens zurück rufen und zuende bringen, was sie angefangen hat, einfach endlich zuende bringen das Ganze.


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Kommentare zu diesem Text


 Teichhüpfer (22.06.22, 12:53)
Das liegt wohl mehr an der Gegend, wo Du lebst.
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