Sylter Tittifläschchen

Szene zum Thema Kinder/ Kindheit

von  Gabyi


Das Baby Olaf meiner Cousine in Westerland wurde tagsüber von meiner Tante Inge betreut. Es schlief in einem kleinen Raum im Erdgeschoss, der von der Küche abging. Während des Tages arbeitete meine Cousine, die auch Inge hieß, am Webstuhl und webte bunte Teppiche. Ich wurde täglich Zeuge der Zubereitung der Babymilch, was mich ungemein faszinierte. Ich kannte das noch nicht von meinem kleinen Bruder, weil meine Mutter ihn stillte. Allerdings gab sie ihn dann mit eineinhalb Jahren zu ihrer Schwester Luise, genau wie ich zu Tante Inge gebracht wurde.
Tante Inge hatte zwei Packungen Babymilch zur Auswahl. Eine rote und eine blaue Schachtel, beide mit der weißen Aufschrift Ale*e.
Fasziniert beobachtete ich die Prozedur. Das weiße Logo auf blau oder rot prägte sich ein und ich kannte mich fortan aus mit dem Herstellen von Babymilch.
Das weiße Pulver wurde sorgfältig mit heißem Wasser angerührt, mithilfe eines Trichters in die Nuckelflasche gefüllt, meine Tante platzierte einen Plasikdeckel auf das Fläschchen, schüttelte gründlich und überprüfte die Temperatur an ihrer Schläfe. Nun wurde noch der Schnuller angeschraubt. Fertig. Dieses Ritual beobachtete ich drei mal täglich. Morgens und Mittags rot, abends blau. Ich liebte es. Besonders das fette Geräusch der aufschäumenden weißen Milch.

Was ich aber nonverbal unausgesprochen wahrnahm, war die schon immer empfundene Schande eines eigentlich unbeabsichtigten Kindes einer sehr jungen Mutter, die überlebensbedingt arbeiten musste und keine Zeit für ihren Säugling hatte.

Es machte mich traurig.

Genauso traurig, wie es mich machte, als ich meinen Sohn mit fünf Monaten zur Tagesmutter brachte, um meine Studienarbeit arbeitsvertragbedingt fertig zu stellen. Als ich ihn am ersten Nachmittag abholte, drehte er den Kopf weg von mir - zur Seite.


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Kommentare zu diesem Text


 uwesch (07.04.23, 17:15)
Es ist schon sehr traurig, wenn keine Zeit für den Nachwuchs möglich ist.  LG Uwe

 Gabyi meinte dazu am 07.04.23 um 18:27:
genau so ist es. Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist oftmals schwer zu organisieren. Danke für die Empfehlung :)
LG, Gabyi
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