Barbie II

Skizze

von  blauefrau

Fische und Kraken, die noch nicht gestorben waren, wurden getötet und zerlegt. Sie wurden auf Eis gelagert, der Schiffsküche zugeführt oder umliegenden Restaurants zum Verkauf angeboten. Meine Wut war unermesslich.

Otto hatte sich über mich gebeugt und beatmet, obwohl mein Brustkorb sich hob und senkte. Vielleicht konnte er meine Atmung unter den Schuppen nicht feststellen, vielleicht wollte er es auch nicht. Jedenfalls war er seit dem Tag geblendet von mir und meinen blauen, grünen und türkisfarbenen Schuppen, unter die sich inzwischen die eine oder andere graue gemischt hat. Silbern, meinte Otto, und er könne sich gerade in diesen bsonders gut spiegeln.

Ich glaube, Otto hat einen Denkfehler. Er liebt sich so sehr, dass er mich als sein Spiegelbild ansieht.

Otto ist blond und braunäugig, groß und sportlich, und wenn wir so dahertänzeln, sind wir ein Bild von einem Paar. Man wundert sich schon mal, dass ich auch im Hochsommer lange Mäntel trage, aber soll jeder gleich sehen, dass ich anders bin?

Otto und ich haben zwei Kinder, Delphine und Ocean. Ich habe sie unter Wasser geboren. Nachdem sie eine Zeitlang freischweben konnten, um die Unendlichkeit des Meeres zu spüren und in sich aufzunehmen, habe ich mich mit ihnen in eine unterirdische Höhle zurückgezogen, in der die Kraken zuhause sind und das Gewimmel ihrer Arme uns ausreichend Schutz bot. Panta Rhei war damals noch ein einjähriger Krake. Er zögerte nicht, Ocean und Delphine mit seinen Krakenarmen zu fesseln und zu halten. Sie kennen es nicht anders. Inzwischen sind meine Zwillinge 16 Jahre alt. Panta Rhei ist wie ein Bruder für sie. Otto war sehr besorgt um mich, als er bemerkte, dass ich von ihm schwanger war. Er besorgte mir die besten Algen und fuhr mich mit seinem Boot, so oft ich wollte, zu den Kraken, um die Geburt vorzubereiten.

Barbie, höre ich Otto rufen, möchtest du etwas trinken? Ich räkle mich in meinem Wasserbecken. Ich war wohl eingeschlafen. Ich bin jetzt 50, manchmal geschieht das einfach. Ich verzeihe mir das nicht. In meinen Träumen schwimme ich regelmäßig zu den Nerasiden. Sie sind meine zweite Familie. Sie hatten sich von mir losgesagt, als sie feststellten, dass TO mein Liebhaber ist. Das ungeschriebene Gesetz: Nie mit Menschen! Doch sie kennen TO nicht. Wenigstens sprechen sie noch mit Panta Rhei.Du musst dich von TO trennen, ich sehe da sonst keine Chance, sagt Panta Rhei in unregelmäßigen Abständen zu mir. Otto ist mein Leben, sage ich, wie das Wasser, die Kraken, die Neresiden. Unter Wasser würden sie ihn auch nicht wollen. Außerdem: Wie lange könnte er da überleben?  Ich habe Elon Musk befragt, auch Jeff Bezos, welche Möglichkeiten ihr neueste Forschung uns eröffnet. Kapseln gibt es schon, in denen Otto leben könnte, doch welchen Bewegungsspielraum hätte er dort unten? Und würden ihn die anderen in Ruhe lassen?


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