Der Kimono

Skizze

von  blauefrau

Mürrisch folgte Stella der  Unterhaltung, die ihre Mitschülerinnen wenige Meter von ihr führten. Sie konnte nicht mitreden. Kein Freund in Sicht, keine teure Urlaubsreise. Und ein Mofa hatte sie auch nicht.

Marie und Merit sprachen über Kimonos.

Stella stellte sich zu den Mitschülerinnen und versuchte zu punkten:

Ich habe jetzt auch einen Kimono, er ist türkis. Ich bin froh, ihn noch gekauft zu haben.

Türkis steht dir bestimmt gut, zu deiner hellen Haut. Welche Motive hat er denn? 

Einen bunten Drachen und eine stilisierte Blüte.

Und wo hast du ihn gekauft?

In dem China-Laden an der Aegidii-Straße. Die haben die da ja am Ständer vor der Tür und im Schaufenster ausgestellt.

Ja, kenn ich. Hört sich Klasse an. Bring ihn doch mal mit.

Ja. Nächste Woche.

Zuhause angekommen warf sie ihre Tasche in den Flur, stampfte die Treppe hoch und warf sich in ihrem Zimmer auf ihr Bett.

Beim Mittagessen maulte sie: Alle haben einen Kimono, alle haben auch das Strickoberteil, das sich hinten am Hals binden lässt, und alle haben auch die Levis-Jeans. Alle fahren in Ski-Urlaub, und niemand muss ein so unmögliches Essen wie dieses Möhrengemüse essen. Nur ich.

Sie schob den Teller von sich.

Die Mutter sprach davon, dass nur zwei aus der Klasse in den Ski-Urlaub fahren würden, dass die Eltern das Strickoberteil nicht bezahlen würden. Warum auch! und dass sie ja schon eine Levis-Jeans habe. Und für einen Kimono haben wir nun wirklich kein Geld.

Ihre Schwestern und Brüder betrachteten sie wie ein unangenehmes Insekt.

Stella stand auf und verließ das Esszimmer.

Sie brachte keinen Kimono zur Schule mit, weder in der nächsten Woche noch später.

Auf dem Fest saß sie bei ihren Eltern. Ihre Mutter, die sich gern verbindlich zeigte, sprach freundlich mit den Eltern ihrer Mitschülerin Ute. Ute gesellte sich schließlich zu ihren Eltern und sprach die Mutter an.

Stella hat jetzt ja auch einen Kimono, Marie und Merit haben auch einen. Hoffentlich kann ich bald auch einen kaufen.

Stella hielt die Luft an. Die Mutter zögerte, dann antwortete sie: Ja, Stella hat einen neuen Kimono. Er gefällt mir auch sehr gut.

Stella unterbrach: Was ist denn jetzt eigentlich mit dem Nachtisch?

Das frage ich mich auch, sagte Ute. Ute und Stella liefen zum Buffet. 



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