Kissen

Skizze

von  blauefrau

Kesse Kissen liegen beim Küssen auf dem Boden.

In den Werbereklamen liegen auf den Sofas stets verschiedene Kissen: Ton in Ton, aus der gleichen Farbskala, gelegentlich auch in deutlichem Farbkontrast. Quadratisch-praktisch-gute Kissen, längliche Kissen, manchmal gleichzeitig verschiedene Formate. Ich kann mir ein Sofa auch gut ohne Kissen vorstellen. Mir ist auch nicht klar, was diese Kissen so sollen. Als wenn sie das Sofa besser machten. Vielleicht arbeiten die Designer und Schaufenstergestalter heute noch unbewußt mit dem Paradekissen. 

Ich kenne es noch aus der Wohnung meiner Großtante Elfriede und meines Großonkels Hans. Sie hatten einen Raum, der einzig dazu da schien, dass Besuch hereingeführt wurde, der dann auf dem Sofa mit den Paradekissen zu sitzen kam. Die Kissen waren durchgeklopft, sie standen wie eine Eins, in der Mitte war ein mit der Hand hereingeschlagener Knick. Sie waren weiß, bestickt, hatten auch Hohlsaum und etwas Spitze. Ich kenne sie rechteckig, wobei sie längs auf dem Sofa lagen.

Von Flohmärkten kenne ich vor allem die Hüllen der Paradekissen, die sich in Stapeln türmen. Hier wird  gezeigt, was es an Blumen, Blüten und auch Sprüchen alles vorzuweisen gab und gibt. Die Hüllen sind oft weiß, sind aber auch schon mal in leuchtenderen Farben bestickt.

Warum heißt es jetzt Paradekissen? Die Parade fand doch eigentlich beim Militär statt und wurde von prominenten Besuchern oder Vorgesetzten abgenommen. Heißt Paradekissen jetzt, dass man alles, also seine Wohnung, den Besuchsraum, die Familie, mittels dieser Paradekissen so ausstaffiert, dass die Besucher denken, alles ist auf Hochglanz, alles ist in Ordnung, alles ist so, wie es sich gehört? Nach welchen Regeln?

Es gibt da so Verse, die das ganze Dilemma ausdrücken, z.B.:

Hinter das Paradekissen hat ein kleiner Hund gesch...

Es liegt dort Sch..., Dreck. Es stinkt dort, und es müffelt. Die Fassade reißt ein.

Der Hund kann nichts dafür, wenn er den Gestank produziert. Es dürfte aber andere Lebewesen geben, z.B. Menschen, die durchaus lustvoll Fassaden zerstören wollen.

Kissen dienen aber nicht nur zur Show und zur Bildung einer Fassade, sondern sind auch bestens für Kissenschlachten und weitere spielerische Anwendungen geeignet.

Auch lässt sich durch den Einsatz von Kissen der direkte Bodenkontakt vermeiden. Aus meiner Räucherstäbchenzeit kann ich mich an viele Sitzrunden erinnern, in denen meine Freunde und ich uns im Kreis auf Kissen am Boden niederließen. Das Sofa zu nehmen war verpönt. Diese Kissengemeinschaft in Bodennähe unterschied uns von unseren Eltern und Großeltern, dem reaktionären Gesocks.

Tiefer als auf ein Sofa lasse ich mich heute nicht mehr nieder. Oft bin ich auch ganz froh, ein Kissen im Rücken zu haben, das meine latenten Rückenprobleme abfedert.



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Kommentare zu diesem Text


 lugarex (04.05.24, 09:55)
Hemingway schrieb irgendwo:"...sie brauchte kein Kissen unter dem Arsch...", der so ähnlich.

 Mondscheinsonate (04.05.24, 10:12)
Apropos Strafrecht: Der verstorbene Vater meiner Nichte kannte einen...
(Es war anders als ich zuvor schilderte, schlimmer!!!)
https://www.heute.at/s/messer-mord-wegen-polster-phobie-57205203

Ich mag deine Geschichte, besonders der Anfang ist cool

Kesse Kissen liegen beim Küssen auf dem Boden.

Kommentar geändert am 04.05.2024 um 10:16 Uhr

 blauefrau meinte dazu am 04.05.24 um 10:53:
Danke für dein Lob. Deine Geschichte unter dem Link ist ja schon heftig.- Sehr gut gefällt mir auch immer noch, dass eine Frau mit einer Schere die Motive  aus den Polstern eines Zugs der DB herausgeschnitten hat. Es waren die schwarzen Löwen des BadenWürttembrgischen Wappens. Ihr würden sie so gut gefallen, gab sie an.:))) Sie wurde offensichtlich angezeigt.

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 04.05.24 um 10:55:
Jetzt kann man nichts mehr schneiden, die Züge kommen nicht mehr daher. 😂😂😂

 blauefrau schrieb daraufhin am 04.05.24 um 10:59:
:D

 uwesch (04.05.24, 11:00)
Manch Kissen ist einfach nur beschissen. Meine Mutter war Webmeisterin mit eigenem Webstuhl im Keller. Ich fand ihren Geschmack im Hinblick auf das Design einfach schrecklich - so biederes Handwerk. Aber so war das nach dem Krieg trotzdem etwas Besonderes. LG Uwe

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 04.05.24 um 11:02:
Aber findest du das nicht wundervoll, wenn jemand soetwas noch kann? (Abgesehen von Motiven) Ein Pendant zur Wegwerfgesellschaft!

 uwesch ergänzte dazu am 04.05.24 um 11:21:
Na ja, nach dem Krieg gab es keine Alternative. Unsere Wohnung wurde total mit Selbstgemachtem von meiner Mutter ausgestattet (Vorhänge, Teppiche, Polsterbezüge). Insofern hast du recht, da es auch keine finanzierbare Alternative gab.
Mir gefielen nur die "biederen" Muster nicht, denn ich hatte eine geniale Kunstlehrerin, die echt mehr drauf hatte, sodass Kunst zu einer Obszession für mich wurde.
Habe dann auch mal Eigenes kreativeres auf dem Webstuhl kreiert - natürlich mit Unterstützung meiner Mutter.
Nach einer langen Malereiphase "webe" ich heute nur noch Texte oder mache ab und an mal eine Collage.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 04.05.24 um 11:25:
Mich fasziniert das Kunsthandwerk.

 AZU20 (07.05.24, 11:34)
Gute Ieee. Ich leide auch darunter. LG
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