Zwei derselben Art

Kurzgeschichte zum Thema Horror

von  Milta_Svartvis

Die Luft ist stickig und der Laden zum bersten voll. Die Musik der Band ist laut und dröhnend. „Die härteste Band der Stadt“, so waren Rage of Fenrir angekündigt worden – und die Plakate an den Schaufenstern der Heavy Metal Kneipe Last Bar On Earth hatten nicht zuviel versprochen. Die Gitarrenriffs schneiden wie eine kalte Sense durch die heiße,  rauchgeschwängerte Luft. Der Bass vibriert und ist noch in den Eingeweiden spürbar. Das Schlagzeug ist wie ein Maschinen- gewehr, treibend, schnell, gnadenlos. Und über allem thront das unmenschliche Organ des Sängers, der seine Hymnen an die Götter mit Inbrunst und Leidenschaft in die Menge brüllt. Die Lieder handeln von Tod und Finsternis, von Legenden einer fernen, vergessenen Welt, die seit Jahrhunderten nicht mehr existierte.


Ja… Tod und Finsternis.


Das war es, was sie zueinander geführt hatte. Als wäre das Internet die moderne Manifestation des Schicksalsfadens der Nornen oder Faten. Und anfangs hatten sie über Kunst geschrieben. Beide waren sie getrieben worden von der Notwendigkeit, der inneren Dunkelheit Gestalt zu verleihen. Er, der Musiker. Sie, die Schriftstellerin und Fotografin.   

Bald drehten sich ihre Konversationen auch um andere Dinge als Kunst. Der Ekel vor der Pseudo – Zivilisation zum Beispiel, die ironischerweise hinter der Maske der Internet Anonymität ihr wahres Gesicht zeigt. Ein sarkastischer Humor, gestählt durch die Hammerschläge traumatischer Erfahrungen in den Flammen des Schmerzes.     
Und eine tiefe Liebe zur Kunst und Sagenwelt vergangener Tage, vor allem des nordischen Altertums, als die Menschheit noch nicht ganz so abgefuckt war wie heute. Eine Weltanschauung, die sie zu Fremden im eigenen Zeitalter macht, und lange Zeit glaubten sie, damit allein zu sein.
Sie hatten sich geirrt.

Ihr fällt auf, wie die Frauen im Publikum ihn ansehen. Frauen, die für Männer wie ihn gewöhnlich blind sind. Die sich lieber Arschlöcher und unreife Idioten holen, die sie wie Dreck behandeln. Knechte ihrer eigenen Egos. Er dagegen ist frei, rein und einzigartig. Er ist für die meisten Frauen zuviel, zu unverständlich oder zu anständig.                        

Doch heute Nacht ist es anders. Er hat die Fesseln seiner ruhigen, leicht unsicheren Art, die er am Nachmittag noch zeigte, abgelegt. Nun präsentiert er einer unwürdigen Meute den König, der er immer schon war. Und die Frauen, die ihn sonst übersehen und ignorieren, können plötzlich ihre Augen nicht mehr von ihm lassen. Zu gerne würden sie für dieses langhaarige Tier am Mikrofon heute Nacht ihre Schenkel spreizen, sehr zum Verdruss ihrer Lebensgefährten, die nicht ganz so begeistert aus der Wäsche gucken. Narren, denkt sie.


Sie war den weiten Weg aus Griechenland gekommen um fest zu stellen, dass die Dummheit und Oberflächlichkeit der digitalen Moderne in Deutschland genau so weit verbreitet war wie in ihrer Heimat. In diesem Land, das einst als das Heimat der Dichter und Denker galt. Angewidert wendet sie den Blick ab und wieder dem Geschehen auf der Bühne zu.
Ihre Blicke treffen sich.
Er lächelt kurz.
Sie lächelt zurück.
Noch einmal wirft sie einen Blick ins Publikum. Die Begeisterung der anderen Frauen reisst nicht ab. Doch die einzige, die ihr Lust Objekt wirklich beachtet, ist Sie.


Sie ist seine griechische Göttin der Lust. 


Er teutonischer Herr und Meister.

Wäre Begierde eine Flamme, würden sie beide Feuer fangen und den ganzen Laden in Brand stecken. Er wirft ihr immer wieder kurze Blicke zu, die ihr eindeutig signalisieren, was heute Nacht noch ansteht. Das entgeht den anderen Frauen nicht und Sie bemerkt deren eifersüchtigen Blicke.

Es könnte ihr nichts egaler sein.


Heute Nacht werden sie nach dem Gig mit der Band rumhängen und ein paar Bier trinken. Dann werden sie zusammen in der Bar nach etwas zu essen Ausschau halten. Er bevorzugt Frauen, aber ihr zuliebe vernachlässigt er den sexuellen Aspekt des Tötens. Sie wird sich einen Kerl aussuchen, der große Ähnlichkeit mit dem Sänger ihrer ersten Lieblingsband hatte. Durch ihre Schönheit wird es ein leichtes, ihn zu überreden, für einen Dreier mit nach Hause zu kommen.
Der Typ wird staunen, wenn sie ihn in einem großen leeren Keller führen und feststellen, dass das hier keine geile BDSM Party wird. 

Wotan und Frigga.

Zeus und Persephone.

Endlich wird die Zeit kommen, die Lupercalien mit einem Blutopfer zu beginnen. Der Keller ist gut abgedichtet, weshalb niemand das Opfer schreien hören wird, wenn sie beide ihre menschlichen Verkleidungen abstreifen und ihre lykanthropische Natur ausleben.
Töten.
Fressen.
Und wenn der Moment der lang ersehnten Vereinigung kommt, werden alle Fesseln der Menschlichkeit verbrennen im Feuer von Lust und Verlangen

©Milta Svartvis 2021

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