Notice stendhalienne au sujet des Internetliteraturforen

Pastiche

von  toltec-head

Nur das zu schreiben, worauf man gerade Lust hat, das, was einem im Moment des Schreibens, im Moment des Postens Glücksversprechung ist, nein, das, was einem in diesen Momenten tatsächlich zu einem glücklicheren Mann macht - das ist die Tugend des Postens auf einem Forum und alle großen Romane dieser Welt erscheinen einem in einem solchen Moment vergleichsweise schal. Weil die großen Romane dieser Welt - der alten Welt und ihr zeitgenössischer Abklatsch - nicht um diesen Moment persönlichen Glücks herum konstruiert sind, sondern darum spätere Leser zu vergnügen, so als hätten ihre Autoren noch nie etwas davon gehört, dass selbst die Sonne einmal erlischt, als wäre die einmal erlöschende Sonne ihr blinder Fleck gewesen.


Literaturforen geben uns eine nietzscheanischere Idee von Literatur als sie bisher geherrscht hat. Und leiden nicht selbst die Aphorismen Nietzsches noch an ihrer Buchform? Sie hätte posten sollen, diese neue Seele - und nicht singen! Glücklich für einen Moment des Postens!!! Und alle die heute schreiben, aber hier nicht mitmachen, werden von späteren Generationen überhaupt nicht mehr als Schriftsteller sondern als bloße Sprachnotare à la Thomas Mann wahrgenommen und beiseite gelegt werden.


Ein einziger Tagebuchsatz über nächtliche Wichsattacken des 70jährigen in Twitterformat gegossen, wiegt ganze Tonnen von Josephs-Romanen auf. 


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Kommentare zu diesem Text

kipper (34)
(02.09.23, 10:52)
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Daniel (50) meinte dazu am 02.09.23 um 15:54:
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 Quoth (02.09.23, 11:02)
Aufwühlender Text. Würde mich auch glücklich machen, sowas schreiben und posten zu können. Aber bei aller Verachtung von Gedrucktem: Es ist doch gut, dass Stendhals Werke uns, Gutenberg sei Dank, erhalten blieben!
Daniel (50) antwortete darauf am 02.09.23 um 15:56:
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 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 02.09.23 um 17:58:
Von der Liebe - *binschonweg*

 Quoth äußerte darauf am 03.09.23 um 09:58:
Mondscheinsonate hat dankenswerter Weise schon für mich geantwortet. 
Aber seine Tagebücher haben die Unmittelbarkeit, die toltec-head zu seinem Titel veranlasst haben dürfte.

 Quoth ergänzte dazu am 03.09.23 um 11:12:
Man trinkt in Deutschland erstaunlich viel Kaffee. Bei der Ankunft im Gasthof wird einem Milchkaffee mit Butterbrot angeboten, zwei sehr dünne Scheiben Schwarzbrot mit Butter dazwischen. Die braven Deutschen essen vier bis fünf Butterbrote, trinken zwei große Glas Bier und zuletzt einen Schnaps. Diese Lebensweise kann den heftigsten Menschen phlegmatisch machen. Mir raubt sie alles Denken. 
Stendhal: Eindrücke aus Norddeutschland 
Daniel (50)
(02.09.23, 16:05)
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kipper (34) meinte dazu am 02.09.23 um 17:54:
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