Krank

Text

von  Mondscheinsonate

... sehe ich in die Finsternis. Der Chef schickte mich nachhause, aber sehr lieb, meinte:"Heute gehen Sie schlafen, morgen schreiben Sie Ihre Heimklausur und am Donnerstag erwarte ich Sie wieder." Nun, er ist Einzelanwalt, er darf nicht krank werden, ich rotze und huste. 

Ich verstehe in meinem Taumel nicht einmal die Altklausurfragen, noch dazu in einem universitären hochtrabenden Geschwafel geschrieben, furchtbar, der Kopf dröhnt schrecklich. Aber, da muss ich durch. Wohlwollend nehme ich zur Kenntnis, dass nur einer sich nicht an einen § hält, der Rest ist "brav". Natürlich, es ist schwer, überhaupt, wenn man einen Unterlassungsanspruch mit Verleumdung vermischt, das tut ziemlich weh, aber es ist dennoch interessant wie juristische Laien das Recht auslegen, nämlich furchtbar. Auf eine Klausur wäre das ein patziges Nicht genügend. Ich verstehe aber die Professoren jetzt viel besser, verstehe, warum sie so penibel sind, denn wir, die zukünftigen Juristen, haben das Recht richtig auszulegen, denn Laien können es nicht und verlassen sich auf uns. 

Wenn ich mir meine anfänglichen Klausuren ansehe, dann tun mir die ProfessorInnen fast leid, mich ekelt es auch. Jetzt, die letzten, da kann ich auch noch immer nicht glauben, dass ich das geschrieben habe, es fließt heraus, ja, man wächst mit den Aufgabestellungen. 

Vor morgen ekelt es mich jedoch komplett, ich bin kaputt im Kopf. Aber, das war ich schon einmal und schaffte die Klausur. Ich musste meinen Kater einschläfern lassen, danach schrieb ich. Furchtbarer Ausnahmezustand. 

Ich trinke Ingwer-Tee und lese mir das Buch nochmals durch. Besonders ärgert mich das Schwerpunktthema, nämlich "Staatlicher Schutz vor privaten Diskriminierungen", denn es geht vorallem um die CEDAW und CERD, auch um die Istanbul-Konvention. Da kann man momentan nur lachen, denn der Frauen- und Mädchenschutz ist in Österreich derart vernachlässigt worden, dass wir an oberster Stelle bei den Frauenmorden in Europa stehen. Diese völkerrechtlichen Verträge sind nicht self-executing, d.h. sie können nicht 1:1 übertragen werden, sie stehen unter Gesetzesvorbehalt, mussten also in einfache Gesetze umgesetzt werden.

Das geschah, aber nichts geschah sonst, außer die Verdreifachung der Wegweisungen, die im Sicherheitspolizeigesetz und in weiterer Folge im Exekekutionsrecht ausgelegt werden müssen. Und? Haben die Präventivmaßnahmen etwas gebracht? Die vorgeschriebenen Sitzungen in einem Gewaltschutzzentrum? Der Entzug der Waffenbesitzkarte? Nein. Ein Mann ging in die Tabakladen seiner Ex und übergoß sie mit Benzin, zündete sie an. Der Ex erwürgte seine Tochter mutmaßlich und auch seine Frau, ebenso mutmaßlich und flüchtete. Der Mann gab mutmaßlich an, Frauen zu hassen und erstach drei Nutten brutal, man konnte sie nicht einmal sofort identifizieren. Der besoffene Bierwirt, verurteilt, erschoß seine Ex. Ein Vater zerrte seine Vierjährige ins Auto, stellte es auf Schienen ab und wartete, dass der Zug kam. 

Ja, der Gewaltschutz, ganz toll. 

Komischerweise, obwohl ich sehr sensibel auf das Thema reagiere, las ich heute eine Verlängerung der einstweiligen Verfügung, gegen die der Mann ankämpft, wo ich das erste mal dem Mann glaubte. Er schlug sie niemals, das stand auch im Beschluss, aber bedrängte sie, stieg in die Badewanne, obwohl sie das nicht wollte (es stand mehrmals), sie ist glücksspielsüchtig und log ihn an, dass sich die Balken bogen. Warum sollte sie nicht auch lügen, was ihn anging? Unsicher legte ich den Beschluss weg. Ich weiß es nicht, mich beschleicht so ein Gefühl. Andererseits, wer weg soll, soll auch weggehen und fernbleiben. Das ist zu akzeptieren. 

Staatlicher Schutz, witzig, sieht man sich die Zahlen an. Es muss immer erst etwas passieren, dass dieser greift. 

Aber, was soll man machen? 

Ich weiß, was Terror ist, mich hat jemand ein Jahr lang beharrlich verfolgt und 10 (!) Jahre später mir über Facebook zum Geburtstag gratuliert. Das war das Allergruseligste. Das ist jetzt sieben Jahre her und ich bin sicher, er stalkt noch immer. Bis heute habe ich ein Trauma. Man wird paranoid. Psychische Gewalt ist  auch ganz schlimm. Der war überall. Ich unternahm damals nichts, heute würde ich anzeigen. Da droht Gefängnis. Und? Heilt das? Ich meine: heilen Maßnahmen und Strafen? Nein. Unsere Gesellschaft gehört geändert. So lange es noch Menschen gibt, die heute noch die "Second wave" abwerten, wird sich nichts ändern und dazu gehören vorallem auch Frauen, denn diese erziehen Männer. Und, es sind alle, In- und Ausländer, die Terror gegen Frauen machen. 

Nun ja, man sieht, die Juristerei ist kein Allerheilmittel. Ingwer schon. Ich trinke einmal und ärgere mich jetzt schon über Fragen, die keiner in Wahrheit beantworten kann. 


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