Das nächste Dorf
( in Anlehnung an eine Kafka- Parabel )
Mein UrUr-Großvater pflegte zu sagen:
»Das Leben ist erstaunlich kurz.
Jetzt in Erinnerung drängt es sich
mir so zusammen,daß ich zum Beispiel
kaum begreife,wie ein junger Mensch
sich entschließen kann,
ins nächste Dorf zu reiten,
ohne zu fürchten, daß
- von unglücklichen Zufällen ganz abgesehen -
schon die Zeit des gewöhnlichen, glücklich
ablaufenden Lebens für einen solchen Ritt
bei weitem nicht hinreicht ...
...und gar erst mit dem Zug
zur nächsten Stadt zu fahren
wo einen so viele Eindrücke bestürmen ,
daß von zufälligen Unglücksfällen einmal
abgesehen, schon die Zeit des gewöhnlichen
glücklich ablaufenden Lebens viel zu kurz ist “
Was hätte mein Großvaters erst gesagt
zu Autofahrten ins Ausland
oder zu
Urlaubsflugreisen nach Übersee ?
Wahrscheinlich, daß er es versteht ,
warum all diese mobilen
Menschen mehr oder weniger
unglücklich sind,
weil ihnen die Lebenszeit
buchstäblich durch die Finger rinnt
Was er sofort verstehen
und befürworten würde , wären
Raketenflüge ins All
zu fremden Planeten mit nahezu Licht-
geschwindigkeit
trotz des extraterrestischen Ambientes
und der Flugdauer von 5 Jahren
… zB nach Alpha Centauri
Es ist der relative Zeitgewinn gegenüber den
Zurückgebliebenen aufgrund der Zeitdilatation,
der ihn begeistern würde
auch wenn 5 Jahre der biologischen Lebenszeit
dabei flöten gehen :
Er würde sagen:
„ Das Leben ist erstaunlich kurz
für die Daheimgebliebenen
aber nicht für diese Astronauten,
die alle überlebt haben
auch ihre Ur- Enkel ,
wenn sie nach Hause kommen “
Doch:
Die dir zugemessene Zeit ist so kurz, daß du, wenn du eine Sekunde verlierst, schon dein ganzes Leben verloren hast, denn es ist nicht länger, es ist immer nur so lang, wie die Zeit, die du verlierst