DER STEIN

Gedicht zum Thema Diesseits/ Jenseits

von  hermann8332

DER STEIN


Hinter dem Zaun

stand ein Baum


Es könnte auch

eine Mauer sein


aus altem graugelben

Sandstein


Doch die ergäbe

keinen Reim


Und dann


Rasenflächen

Blumenrabatten

und Kieswege


die kein Unkraut hatten

wegen der chemischen Pflege


und viele , viele

kühlschrankgroße Steine


bis hin zu größeren

Frigidaire- Geräten


die standen

oder wie Truhen lagen


und alle

nicht küchenweiß


sondern meist


schwarzgrau waren


und glatt und poliert

wie es sich gebührt


Ein schmiedeeisernes Tor

durchbrach den Mauerzaun

direkt vor mir

mit einer schmalen Tür


durch die ich trat

mit müdem Schritt und Tritt


in dieses seltsame Areal


so üppig grün

kein bisschen kahl


und lief dort

hin und her


und wo ich war

wußt ich nicht mehr


und fühlte in meiner Seele

eine tiefe Unruhe


bis hin

zur psychischen Qual


Da sah ich einen Stein

nicht größer als einen

Nachttischkasten


mit Lettern

grau und klein


und fast

unlesbar


der trug

meinen Namen


zusammen

mit zwei Zahlen


im Tausenderbereich


und den gleichen

Hunderterziffern


die unter dem Namen

standen


und sich mir

zuwandten



während sie verstohlen

und astigmatisch schielten

weil sie entdeckt sich fühlten


Ich dachte

ich hätte nicht richtig gesehn


oder ich wäre schizophren


und wandte ab den Kopf


blickte weg

von der zweiten Zahl


damit ich sie mir nicht merkte

und sie schleunigst vergaß


- so schlecht gings mir

als ich sie las -


und schloß sofort im Schock

die Augen


die so was

nicht zu sehen brauchen


und floh als armer

gepeinigter Tropf


nun Hals über Kopf


aus diesem Horror- Ambiente

durch die Eisentür


und riß mir auf die Hände

an ihrem Scharnier


und rannte ins Dorf zurück


und stürzte

vor Schreck und Graus

schnurstracks

ins Dorfwirtshaus


und bestellte mir:


einen doppelten

Doppelkorn


und dazu ein Bier


nämlich ein Bock



Langsam verging

mein Schock


und übrig blieb nur Zorn


Warum und auf wen

das kann ich nicht sagen


Doch seit jenen Tagen

wurde ich verbittert


als ich den Stein sah


noch nicht allzu alt

doch bereits verwittert




In Stanley Kubricks Film

Odyssee 2001

da schwebt ein

tiefschwarzer Stein


doch total neu


perfekt


und von

diviner Präzision


in einer linearen Konstellation

mit Erde Mond Mars

und Jupiter


durch das schwarze All


und alles was dort schwebt

und sich in Bahnen dreht

schwebt im freien Fall


Könnte es auch

mein Stein sein ?


Unser aller Stein ?

Ein Stein designed

im idealen goldenen Schnitt


ultragenau


samtschwarz nicht grau


und von zeitloser Ewigkeit

jenseits von Raum und Zeit


Er läßt sich nicht zerstören

selbst nicht im Gammastrahlenbad


und läßt sich nicht gravieren

und ist unendlich hart


und ist nicht porös

und ist nicht grau

und ist nicht schief


wie der,

an dem ich vorbei lief



Dieser Gedanke kam mir

nach dem dritten Korn mit Bier


spontan am Wirtshaustisch


und ich fühlte mich

wieder halbwegs frisch


Und zahlte und ging heim


wo mein Hund

auf mich wartete

den ich nicht mitnahm


und der auch nie

dorthin kommt

hinkommen wird

und kam


Aber ich hoffe daß sich

der Hundegott Sirius

seiner erbarme


und nimmt ihn so wie ich

freudig in die Arme



Bekäme er einen Stein

wären die Ziffern zeitlich

noch viel enger beisammen

und sein Stein wäre recht klein

und würde nicht viel größer

als ein Bierkasten sein



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