Vor dem Regen

Tagebuch

von  Lluviagata

Kein Schlaf, kein Traum in der endlosen Ruhe des Morgens. Nichts. Und dann: Der kochende Stern, der einzige von Natur aus Unbarmherzige. Er fokussiert mich mit seinem grinsenden Auge und säuft meine letzte Träne, trocknet mich aus, mürbe wie bin ich, dürr wie die Felder, deren notreife Ähren, den schweigenden Zikaden so ähnlich, meine wunden Knie nicht überragen. Der Brunnen ist eingefallen. Nichts ist da, das mir Schatten spendet. Keine Hausmauer, kein Mensch. Flirrende Stille. Und die Schraffur der Espen. Ich bebe mit ihnen, ich fühle, unsere Zeit ist gekommen. Sie lassen meine Augen auf törichtem Blattgold segeln, denn sie ahnen wie ich um ein gewaltsames Ende. Dennoch, sie riefen mich. Der Scirocco flüsterte es mir schon vor Tagen.  Als wenn ich sie beschützen könnte. Doch ich bin da. Zu ihnen gekommen um wie sie nach Halt zu suchen. Vergebens. Ich bin ein alter Spiegel, dessen Wahrhaftigkeit gezeichnet ist. Ich brenne. Ich brenne! Sind sie es? Sind es die Pappeln, die sich in der atemlosen Schwärze des Himmels auf mich stürzen? Ach. Zerborsten in abertausende Blicke finde ich mich auf der dampfenden Erde wieder, die sich mit zitternden Blättchen zu bedecken sucht. Endlich! Endlich. Mit dem allerletzten Wisperwisper verschmolzen auferstehe ich, um ohne Schlaf und benetzt von alten Träumen in die gläserne Kühle der Nacht zu fließen. Und um meine Bäume zu weinen. Lautlos.



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