fix you

Erzählung

von  minze

Ich habe keinen Impuls, den Platz zu verlassen. Hänge mit Joscha auf dem Campingstuhl, er holt sich ein eingeschweißtes Pain Chocolat nach dem andern, schon nach dem ersten sagt er hier gibt es alles, was wir zum Leben brauchen, dem füge ich nichts hinzu. Es sind Ferien, wir feiern das ab jetzt. Nicht weiterdenken, weitersorgen, in dem Moment denke ich wie früher leicht an Radler, trinke Instantkaffee und bin weich vor dem Bild, wie Joscha auf dem Gartenpolster eingeknüllt geschlafen hat. Wohl dreht sich alles, aber wir stehen im Moment, sind eingefasst in Klappstuhl, Nieselregen und Frühstück. Die Stunden sind anspruchslos, Samuel kommt vorbei. Kommt immerwieder. Wir sehen fast alle Festivalbesucher regelmäßig, weil wir vorm Klocontainer sind. Samuel als Nachbar geht wegen jedem Scheiß auch zum Draußenspülbecken.


Gestern, beim Zeltaufbau, hat er von Jessica und Thorsten Luftpumpe und Hammer ausgeliehen, sie haben ihm noch alles Mögliche angeboten. Ich hatte auch einen Hammer, war bereits da bewegungslos entspannt. Er war den ganzen Nachmittag in einer engen Unterhose unterwegs, verschwitzt am Sack, ich bin nicht gleich in offensive Hilfestellung gegangen. Mit allen To-Dos und Erledigungen sprach er die Männer an, war es egal oder blöd, ich bin damit unentschlossen wie mit der Unterhose. Sie geht zusammen mit der Glatze, der Bart und die Augen haben mir gefallen.

Jetzt läuft Samuel konstant vorbei, nimmt unsere Stimmung mit, das ständige Passieren ist ruhelos, nur seine Augen still gerichtet, nehmen auf, eher im Schweifen, nichts taxierend.


Wenn er kommentiert, bei Jessica und Thorsten vorm Wohnwagen: was getrunken wird, wie Thorstens Equipment ist: eigentlich ist alles, was er kommentiert für Thorsten. Thorsten ist dann ein Selbstläufer. Es unterhält auch Samuel, er bedient ihn richtig, sie laufen sich richtig rein. Sie laufen glatt und ohne Pause mit dem Bewundern, Zeigen, Lachen.


Samuels stilles Aufnehmen ist aber jetzt, wir sitzen nicht vor Thorstens Wohnwagen, er schläft mit seiner Familie, wären sie wach, würden sie den Regen abwarten. Noch sind Joscha und ich abgeschlossen in uns. Ich nehme Samuel ähnlich wie ein Schmetterling im Flattern, nicht stressig, eher leicht um mich herum.


Irgendwann hat sich Samuel die Namen von Thorsten, Jessica und Yann gemerkt. Er fragt immer einen mehr nach dem Vornamen und lacht, weil er sich unsere Gruppe merken wolle, weil wir cool seien. Nach mir fragt er nicht. Ich bin zurückgezogen, schau ihn trotzdem an. Mal im Stuhl, mal im stillen Tanz zum Reggae, der vom Gelände kommt, eigentlich sind sie alle zu laut. Wenn mir kommt, wie ich damit zurecht komme, dann seh ich, dass sie den Raum einnehmen und ich mich als seltenes Moment wie unwesentlich, als Randfigur, im Stand-by erleben kann. Selbst Joscha geht es so, wobei: er hört, wenn wir am Platz sind, auch viele Hörspiele oder knüllt sich wieder in den Schlafsack ein, trotz Hitze.


Wir sind viel bei den Konzerten, ich trinke mit den Kindern Wasser, gebe das Geld wenn für Eis aus, es gibt auch einen guten Kaffeestand für einmal. Wir gehen zurück zum Zelt, essen Ravioli, Joscha will Toast mit nichts, ist erst sauer über die ausbleibenden Alternativen. Ich spüre den Gleichklang mit meinem Mann ohne Worte: ohne liebe Worte, ohne Streit, ohne Absprache. Wegen des Toastes bleibt eine kleine Portion Ravioli übrig, ich gehe erst zu den Nachbarn mit den kleinen Kindern, die den ganzen Tag irgendwas warm machen, essen, Fläschchen, Knabberein et cetera um sich herum haben. In diesem Moment sind sie aber satt, also geh ich weiter zu Samuel und spreche ihn an. Auch er sagt, er habe erst gegessen. Aber wenn du mir was anbietest, gerne. Ich geb den Topf mit Löffel, später macht er wieder die Runde zum Spülen, Yann honoriert das. Ich habe nichts anderes erwartet.


Einige Stunden später werden wir die letzten Konzerte zusammen verbringen, wir tanzen, er ziemlich wild auf der Bierbank, sein Sohn macht es ihm nach. Er wird angestachelt von Joscha und sie sind am Rennen und mit Stöcken dabei. Samuel sagt Joscha, dass er das nicht wolle, er ist ernst und klar, er nimmt ihn dabei liebevoll an der Schulter. Er will einwirken, hat aber Verständnis, ich frag mich, ob er ein ähnliches Temparament hatte als Kind. Ob er weiß, dass ich auch ausgelassen tanzen würde, also mehr, wenn ich nicht müde wäre von den letzten Wochen Schule.


Nachdem er gespült hat, kommt er zu mir, in diesem Moment unter vier Augen frage ich ihn, wo er wohnt. In der Nähe meiner früheren Ausbildungsstätte, wir sprechen über die Gegend und kurz rät er meinen Beruf, er hat ihn schnell getroffen. Dann bittet er mich, auch zu einem Festival in seinem Bundesland zu kommen. Ich kenne es von meinen Studienfreunden, erzähle, was ich davon weiß. Vielleicht wäre es möglich.

Er wirkt jetzt klar. Vielleicht, als wäre er jetzt angekommen. Es ist anders, als wenn er mit Thorsten spricht und mich nicht ansieht, natürlich ist es anders.



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