Omas gestern und heute

Glosse

von  Citronella

Dieser Text gehört zum Projekt    Politische und Haltungstexte

Meine Oma war eine gemütliche und trotz schwerer Schicksalsschläge lebensbejahende Frau. Sie konnte wunderbar handarbeiten und las gerne bunte Heftchen mit Herz. Über alle Ereignisse in weltweiten Königshäusern wusste sie bestens Bescheid, und wenn ich mal wieder die Augen verdrehte, wenn sie mir das Neueste über Caroline von Monaco, ihre Lieblingsprinzessin, erzählte, bemerkte sie schnippisch: „Du interessierst dich aber auch für gar nichts!“

Die Tagesschau war für sie das Highlight des Tages, vor allem wenn Karl-Heinz Köpke die Nachrichten verlas. „Sonst spricht ja keiner mehr mit mir“, behauptete sie manchmal, obwohl meine Mutter fast täglich zu ihr kam und nach dem Rechten sah. Was im Fernsehen kam, musste richtig, wichtig und unangreifbar sein, sonst wäre es ja nicht im Fernsehen gekommen.

Der einzige Punkt, der ihr wirklich Sorgen machte (da war sie schon weit über achtzig), war die Sicherheit der Renten. Nobbi Blüm hatte zwar versprochen: „Die Renten sind sicher!“, doch sie blieb da bis an ihr Lebensende skeptisch. Nach zwei durchlittenen Weltkriegen und den Hungerjahren danach war ihr die Sicherheit ihrer nicht gerade üppigen Rente verständlicherweise äußerst wichtig.

Heutige Omas ticken anders. Sie treiben Sport, gehen auf Reisen, engagieren sich als Grüne Damen in Krankenhäusern oder in ähnlichen ehrenamtlichen Tätigkeiten. Neuerdings haben viele von ihnen auch die Politik für sich entdeckt, denn sie haben viel Zeit, brauchen nicht für einen schmalen Nebenverdienst an der Supermarktkasse dazuzuverdienen und möchten unbedingt „ein Zeichen setzen“. Deshalb gehen sie seit einigen Jahren als OMAS GEGEN RECHTS (Großschreibung unbedingt nötig) auf die Straße. Erstmals auffällig wurden sie während der Corona-Demos, bei denen sie noch ein wenig unbeholfen am Straßenrand standen. Denn Maßnahmengegner konnten schließlich alle nur RECHTS sein, soviel war für sie klar.

Die Organisation, ein eingetragener Verein, hat sich mittlerweile stark vergrößert. Bei den Großdemos gegen Rechts Anfang des Jahres traten sie schon in größeren Gruppierungen auf, „für Toleranz und ein respektvolles Miteinander“ und „gegen Stigmatisierung“ wollen sie sich laut Satzung einsetzen. Ihre Enkel, die sich für Politik meistens wenig interessieren, sollen schließlich nicht in einer rechten Diktatur aufwachsen. Was links von rechts passiert, ist uninteressant.

Jetzt konnten sie den ersten wirklich großen Erfolg erzielen: Mit Hilfe einer Petition erreichten sie, dass das Spendenkonto der AfD bei der Berliner Volksbank gekündigt wurde. Basisdemokratisch eben. Demnächst wird es sogar einen Bundeskongress geben. Das Ziel, auf das sie hinarbeiten: Ein AfD-Parteiverbot. Spenden nimmt der Verein gerne entgegen.

Was meine Oma wohl dazu gesagt hätte? Ich hab da so einen Verdacht …



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Kommentare zu diesem Text


 niemand (04.08.24, 12:25)
@ Citonella
Diese OMAS verstehen eben die Demokratie und das heißt:
Jede Oposition muss schleunigst ausgeschaltet werden :D  :D
Neuerdings hörte ich eine Dame [war aber noch keine Oma] und die sprach
sogar von "Beseitigung" der Unpassenden. Wie die das wohl gemeint 
hat?  :woot:  Sicher basisdemokratisch ...  LG Irene

Kommentar geändert am 04.08.2024 um 12:27 Uhr

 Citronella meinte dazu am 04.08.24 um 13:25:
Ja, Irene, da weiß man oft nicht, ob man lachen oder weinen soll. Versuchen wir es heute mal - weil Sonntag ist - mit Lachen. ;) 
LG Citronella



 uwesch (04.08.24, 16:59)
Der Omawandel herrlich beschrieben :) LG Uwe

 Citronella antwortete darauf am 04.08.24 um 21:31:
Ja, Uwe, früher waren Omas noch knuddelig und kuschelig, aber nicht politisch. ;)

LG Citronella

 Dieter_Rotmund (06.08.24, 16:27)
Nett formuliert, mir persönlich zum Schluss zu viel Empörung. Auch dein Zynismus zündet nicht so richtig. Gut ist der farbige Einstieg mit der Oma gelungen, danach wird es zu beliebig...

 Quoth schrieb daraufhin am 06.08.24 um 17:17:
Ich habe an einigen Demos gegen Rechts Anfang des Jahres teilgenommen (siehe  hier und  hier) und beobachtet, dass ältere Frauen in Pausen, in denen nichts los war, gern ihr Strick- oder Häkelzeug hervornahmen. Die waren knuddelig   u n d   politisch!  :D

 Citronella äußerte darauf am 06.08.24 um 17:34:
@ Dieter_Rotmund:

Ich sehe es genau andersherum: Meine Oma war sicher (außer für mich) nichts Besonderes, sie war wie viele ihrer Generation. Die Aktivitäten der OMAS GEGEN RECHTS dagegen sind ein sehr buntes und neuartiges Treiben, über deren Hintergründe man sehr unterschiedlicher Meinung sein kann.

Was spricht denn eigentlich gegen Empörung? Empörung ist nichts Anderes als Ausdruck der eigenen Meinung zu einem Thema. Die müssen andere schon aushalten können.

 Citronella ergänzte dazu am 06.08.24 um 17:35:
@ Quoth:

Dann bist also auch du (und nicht nur die häkelnden Omas) Anfang des Jahres den Correctiv-Märchen aufgesessen, die mittlerweile alle widerlegt und größtenteils gerichtlich verboten wurden ...
Agnetia (66) meinte dazu am 06.08.24 um 18:19:
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 06.08.24 um 18:31:
Gegen Empörung spricht, dass sie hier auf KV überinflationär oft vorhanden ist, zum Leidwesen der/einer literarischen Qualität.

 Citronella meinte dazu am 06.08.24 um 18:43:
@ Agnetia:

Ganz einfach zu beantworten: Gegen Rechts wird in der Tagesschau eben wesentlich mehr getrommelt als gegen die Errichtung eines Kalifats ... :ermm:

Übrigens hat es zur Lahmlegung von Konten in den vergangenen Jahren noch nicht einmal einer Petition bedurft. Viele, die anders dachten als erwünscht, können ein Lied davon singen.

 Citronella meinte dazu am 06.08.24 um 18:45:
@ Dieter_Rotmund:

Mag sein, dass du das nur so empfindest, weil du die Meinung derjenigen nicht teilst.
Über die literarische Qualität meiner Texte hat sich bisher übrigens noch nie jemand beschwert. :P

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 06.08.24 um 18:50:
Nun ja, wenn die Geschichte kein Potential hätte, würde ich sie nicht kommentieren...
Oder willst du nur Lobhudler und dich nicht verbessern?

 niemand meinte dazu am 06.08.24 um 18:50:
Haben die Grünen nicht auch immer im Bundestag gestrickt und gehäkelt? Diese Omas scheinen wohl so etwas wie überlebte :D 
Grüne zu sein. Na, ja, so kann man sich alles zurechthäkeln und zurechtstricken, man muss nur genug Wolle dabei haben. Manchmal denke ich bei sowas, ob diese Damen nicht vielleicht ihr Gehirn längst umhäkelt und umstrickt haben.  Wolle ist ein gutes Dämm-Material, da dringt nichts mehr so leicht ein  8-) da kommt nichts mehr so richtig durch.  LG niemand

 Citronella meinte dazu am 06.08.24 um 20:01:
@  Dieter_Rotmund:

Nein, ich möchte keine Lobhudelei. Aber ich möchte auch nicht meine Empörung unterdrücken müssen.

 Citronella meinte dazu am 06.08.24 um 20:03:
@ niemand:

:D :D
Soll doch jeder seinen eigenen Interessen nachgehen ...

Wir bleiben lieber beim Schreiben, wie auch Agnetia schon sagte, nicht wahr? 8-)

LG Citronella
Agnetia (66) meinte dazu am 06.08.24 um 21:11:
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 RainerMScholz (09.08.24, 21:15)
Omas gegen links gibt es doch auch, deren Bündnis hat sich eben nur nach ihrer Führerin benannt.

Dieter Hallervorden war vor 50 Jahren wirklich lustig.

Grüße,
R.

Kommentar geändert am 09.08.2024 um 21:16 Uhr

 Citronella meinte dazu am 10.08.24 um 13:51:
Das kann ich leider nicht beurteilen ...
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