Liebe per Internet III. - eine wahre Liebesgeschichte

Tagebuch zum Thema Liebe, lieben

von  pentz

Die kasachische Schamanin

Sie mache regelmäßig Yoga. Zwei Bilder von ihr: sie sitzt fußverschränkt auf einer Mappe und streckte die Hände in die Höhe. Sie sei Physiotherapeutin. Im schicken Krankenschwesterdress sieht man sie in einem Patientenzimmer, neben einigen hochmodernen Maschinen stehen.

Ihre Augen waren besonders interessant. Ich dachte zuerst, sie sei derartig spirituell entrückt, dass sie quasi schielte. Es ist wirklich so, man hat den Eindruck, an ihren Augen stimmte etwas nicht. Das ist allen mongolischen Menschen eigen. Warum, dass weiß ich auch nicht.

Sie witzelte darüber, dass in unserer Kultur für Frauen nur gelte: Küche, Kirche, Kinder. Ich hielt ihr entgegen, dass bei ihnen die Frauen noch entführt werden sollen. Dann würden sie zur Ehe gezwungen.

Allmählich schlug der witzelnde Ton in Ernsthaftigkeit um.

Denn der Termin des Besuchs rückte unaufhaltsam näher, die Urlaubszeit brach an, sie bekam von ihrem Chef für drei Wochen frei, weil sie gut und hart gearbeitet hätte. Aber ihr kamen Bedenken: Sie habe von Sex-Versklavung von Ostfrauen im Westen gehört? Sehr schamhaft fragte sie auch, ob ich Raum für einen Gast hätte oder sie in einem Hotel übernachten müsse?

Aber nach nur wenigen Tagen des Count-Downs legte sie aber los, enthemmt und atemberaubend, indem sie plötzlich von introspektivischer Schamanin auf enthemmter Sexgespielin umschaltete, mit den verheißungsvollen Worten: „Ich habe seit drei Jahren keinen Sex mehr gehabt. Aber bei dir werde ich wieder welchen ausüben.“

Ohne durch schockierende sexuelle Detailbeschreibungen zu verdeutlichen, wie von moralischer Sichtweise aus ein Mensch einem wortwörtlich in den A kriechen kann, um einen netten geilen Sommertripp in einem fremdes Land herauszuschlagen, hatte dies bald eine Ende, als nicht wie gefordert das Geld von meiner Seite aus floss. Letztes Aufbäumen: „Ich weiß, du brauchst es auch!“

Normalerweise endet hier die Beziehung: absolute Funkstille auf der anderen Seite.


Bei diesem Verhältnis gab es aber noch ein Nachbeben.

Nachdem ich mich geweigert hatte, für den Flug nach Deutschland zu bezahlen, versuchte sie mich in letzter taktischer Schlagseite mit einer anderen E-Mail-Adresse hinters Licht zu führen, in dem sie ein anderes Foto von ihr beilegte, woran ich sie nicht sofort erkannte, um mich dazu zu verleiten, mit einer Fremden Kontakt aufzunehmen und mich damit des Betruges zu entlarven. Ich bekannte mich jedoch zu meinem Wunsch, nicht mehr länger allein sein zu wollen und dafür alle Möglichkeiten zu nutzen.

Das zog ihr den Wind aus den Segeln.

Danach tat sie einfach so, als kennte wir einander nicht und begann die Kommunikation mit einer neuen E-Mail-Adresse. Sie tat dabei so, als ob sie mich das erste Mal kontaktierte. Halb tat sie so. Sie sagte zwar, sie hoffe, dass ich sie gefühlsmäßig nicht verloren habe, aber setzte genau die gleichen Formulierungen und Bilder in Szene wie zuvor, um eine frische Beziehung aufzubauen. Wir waren uns aber nicht fremd!

Aber sie konnte offenbar nicht anders. Sie musste unter Zwang handeln. Anders kann ich es mir nicht erklären.

Vielleicht, weil ich ihr vorgeworfen hatte, sie sei hinterhältig? Vielleicht, weil ich ihr sagte, dass, obwohl sie beteuerte, dass sie dafür aber treu sei, ich dies anzweifelte, weil Misstrauen und Untreue die gleiche Basis besäßen, nämlich Neid und Unsicherheit?

Die Beziehung baute sie wie gehabt in der gleichen Reihenfolge der Formulierungen wie vorher auf: Wir wachsen Tag für Tag enger aneinander, heute haben wir uns auf eine neue Ebene unserer Beziehung begeben usw.

Ich sah schon den Schritt kommen, wo sie ihre Mutter offenbaren und um Rat fragen würde, diese beste Ratgeberin ihres Leben, ob ich der Richtige sei, unterlegt mit dem schmeichelhaften Hinweis: Ohne mich könne sie nicht mehr leben.

Bevor es so weit kam, dieses idiotische archaische Verhalten, klar wir waren in Kasachstan, dort, wo Männer ihre zukünftigen Frauen aus den Herkunftsfamilien entführten und verschleppten, aber trotzdem! Wahrscheinlich war die Frage an die Mutter, ob sie erneut freie Bahn für diese Beziehung signalisieren würde, überflüssig.

Da wollte ich nicht nachstehen, sagte, ich würde auch über unsere Beziehung bei meiner Mutter um Rat und Tat nachsuchen. Meine Mutter war auch mir wichtigste Ratgeberin in meinem Leben gewesen.



liebe Kristi,


Oja, meine Mutter möchte auch, dass ich glücklich bin und wünscht mir nur Gutes. Gestern war ich wieder mal an ihrem Grab und, bitte lach nicht, habe mit ihr über Dich gesprochen, dass ich ohne Dich nicht mehr leben könne. Zuerst habe ich meinen batteriebetriebenen CD-Rekorder angeschaltet, um die Musik von Schubert „Ave Maria“ spielen lassen, die Melodie, die am besten zu ihr passte. Katholisch und Mutter!

„Schön!“, hat es geraunt. Das war das Zeichen, dass ich Kontakt mit ihr aufgenommen habe.

Ich schilderte unsere Beziehung, hob sogar ein großes Foto von Dir hoch, dass du mir geschickt hast und das ich großformatig ausgedruckt hatte.

"Oh ja", hat meine Mutter reagiert.

"Was soll ich tun?", fragte ich sie. „Was glaubst du, Mutter. Ist sie die Richtige?“ „Hm!“ Dann habe ich über Dich erzählt, was Du tust, denkst und so weiter. Am besten hat ihr gefallen, dass Du einen charitativen Beruf ausübst, Du musst wissen, solche sind bei uns Christen besonders hoch angesehen. „Oh nein!“, hat sie allerdings gestöhnt, als ihr über den offenbar unter Zwangshandlungen erfolgten derzeitigen Nachrichtenaustausch Deinerseits berichtete, weil Du mir zum zweiten Mal die gleichen Infos und fast identischen Mails und Bilder schickst.

"Und nun?", hat meine Mutter gesagt. "Ja, ich weiß, Mama", habe ich geantwortet. "Ich weiß, was das bedeutet."

Ich habe meiner Mutter nicht sagen müssen, was ich verstehe. Wir verstehen uns meist stumm vollkommen und jeder kann den Gedanken des anderen lesen, und auch hier waren wir einer Meinung: Dieser Mensch ist sehr, sehr unsicher, (was er sich und anderen niemals eingestehen würde).

Doch dann hörte ich wirklich ganz laut die Stimme meiner Mama, die sagte, sie werde darüber nachdenken und mir das nächste mal einen Rat übermitteln.

Ich bin deswegen nun ganz nervös und habe schier Angst vor ihrer Antwort, weil sie war auch immer eine strenge Ratgeberin. Sie hat wirklich gemeint, so habe ich es empfunden, dass sie dazu schweigen müsse und nachdenken. Bis zum nächsten Mal.

Liebe Kristi, bist Du auch schon so nervös und gespannt auf die Antwort meiner Mutter wie ich?


Aber als ich die CD von Schubert herausgenommen habe, hat der Radio automatisch weitergespielt und zwar die ungarische Rhapsodie von Franz Liszt. Vater kommt ja aus Ungarn und diese Musik hat ihm vom Tode erweckt und seine grummelige Stimme ist ertönt: „Wie immer, Du. Störenfried. Einmal Störenfried immer Störenfried. Sogar meine letzte, ewige Ruhe musst Du stören, Du Nichtsnutz und Störenfried!“

Du musst wissen, Vater und Mutter liegen, wie es sich gehört, in einem Ehegrab, eigentlich ein Wunder und Mysterium, weil, solange ich denken kann, sie sich immer gestritten haben. Aber sie haben sich nicht getrennt, nicht ehegeschieden, womit ich eigentlich jeden Tag gerechnet und darunter gelitten habe. Aber das tun halt gute katholische Ehe einfach nicht.

Übrigens fürchte ich mich heute davor, dies könne auch mir passieren, ich meine diesen Dauerstreit und trotzdem nicht Scheidung, deswegen konnte ich mich nicht durchringen, zu heiraten, weil selbst wenn es zu den größten Schwierigkeiten kommen sollte, werde ich nicht imstande sein, mich von dieser Furie Ehefrau zu trennen.

"Junge!", raunte mein Vater. "Habe ich richtig gehört, die Holde ist aus dem östlichen Raum, aus Kasachstan?" "Ja!", habe ich geantwortet.

Ich war bloß perplex, deswegen meine kurze Antwort. Man muss wissen, mein Vater hat schon Jahre vor seinem Tod nicht mehr mit mir gesprochen, aber typisch, bei diesem Thema und offenbar bei dieser Art von Frau, taute dieser Schwerenöter auf und gab seine Erfahrungen an seinem Erstgeborenen weiter. Eigentlich habe auch ich geschworen, niemals mehr ein Wort mit ihm zu wechseln, denn er hat mir meine ganze Jugendzeit versaut. Bei bestimmt ein Viertel aller Gleichaltrigen musste ich davon ausgehen, dass ich es mit einer Halbschwester zu tun habe. Das hat mich natürlich hinsichtlich sexueller Erfahrungen um Jahre zurückgeworfen. Erst mit Zwanzig, als ich weit, weit weg von Zuhause studieren konnte, habe ich die ersten sammeln können.

"Das sind die besten Frauen, mein Sohn, die aus dem Osten, glaube mir, ich weiß das. Ich habe meine ersten Erfahrungen mit solchen Mädchen machen dürfen. Lass sie nicht aus! Versuch sie zu erobern! Mach sie zu deiner Frau, du wirst mit ihr immer, bis zu deinem Tod wie im siebten Himmel leben! Und danach sowieso. Das sind die besten Frauen, glaube mir."

Meine Mutter erhob laut die Stimme ... was sie sagte, habe ich nicht mehr gehört … das übliche Ehegezeter wollte ich mir ersparen, es war klar, dass Mutter eifersüchtig werden würde und so bin schnell nach Hause geeilt, um dir


Folgendes auf kasachisch zu senden:


Rachet (das heißt danke)


Werner


Sie schrieb mir:


Hallo mein Lieber Werner. 

Ich hoffe, dir geht es gut. Danke für deinen Brief. Es hat mich sehr gefreut, es zu lesen und etwas über deine Gedanken und Gefühle zu erfahren. Ich schätze deine Aufrichtigkeit und Offenheit. Ich bin froh, dass du weder trinkst noch rauchst. Es spricht für deinen gesunden Menschenverstand und deine Sorge um deine Gesundheit. Es ist sehr berührend für mich, dass du mit deiner Mutter über deine Erfahrungen und unsere Kommunikation redest. Es zeigt, wie sehr du die Familie und ihre Meinung schätzt. Ich verstehe, dass du deine Ängste und Unsicherheiten hast, aber ich hoffe, dass du die Kraft in dir finden kannst, sie zu überwinden. Ich habe auch das Gefühl, dass unsere Kommunikation immer wichtiger wird. Ich bin daran interessiert, dich besser kennenzulernen, deine Gedanken und Gefühle zu verstehen. Ich glaube, dass wir viele Dinge gemeinsam haben können und ich bin bereit, mich für neue Emotionen und Eindrücke zu öffnen.


Damit lasse ich den Brief enden. Damit endet auch die Beziehung zu Kristi aus Kasachstan.



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