Liebe per Internet II. Teil - eine Liebesgeschichte

Tagebuch zum Thema Schein und Sein

von  pentz

Ein Tag später, gestern: Sie schreibt, ich wäre ihr heute Nacht an der Kante ihres Bettes erschienen, worauf ich gesessen war. Ich hätte die Arme ausgebreitet und sie habe sich auf mich geworfen und mich ins Bett gezogen.

Ich habe in dieser besagten Nacht geschlafen, definitiv. Würde ich an einen Astralleib glauben, hätte ich hiermit die Gewissheit, dass er existiert, sich von mir loslöst, entfernt, Tausende Kilometer weit fliegt, dort sein Wesen treibt und wieder zurückkommt, um sich in mich wieder hineinzubegeben oder mich zu ummanteln, wie gehabt.


Heute hat sie geschrieben:


Chimäre wird zu Furie!

Sie schreibt, sie habe meine letzte Nachricht nicht erhalten. Verkaufe diese Woche mein Eigentum, dann komme ich für immer!

Deine zukünftige Ehefrau Svetlana.

Sie hat wieder nicht ihre Telefonnummer hinterlassen.

P.S.: Und nu?


Heute hat sie geschrieben, dass sie wieder 2000 Euro bräuchte, zur Auslösung ihrer der letzten zwei Jahre angesammelten Rechnungen für Gas, Strom und Wasser. Danach erst, nach Begleichung des geschuldeten Betrages an die Stadtwerke, würde ein Käufer ihr 100 000 Euro für das Appartement überreichen. Nur, sie habe das Geld nicht. Ich müsste es ihr doch bitte schicken, dann würde sie auch derweil die Fahrt nach Deutschland organisieren.


Zum zweiten Mal verlangt sie Geld.

Beim ersten Mal habe ich schon geschrieben, dass ich ihr keinen Cent geben würde, auch wenn ich Millionär wäre. Hält sie mich für blöd? Vergesslich? Oder ist sie, also blöd und/oder vergesslich?


Tatsächlicher Wörtlicher Text vom Englischen ins Deutsche übersetzt:


Hallo meine innig geliebte Frau Svitlana,


Ich habe Deinen letzten Brief erhalten, in dem Du schreibst, dass Du etwa 2000 Euro brauchst.


Ich muss leider sagen, dass ich nicht mehr so viel Geld habe. Gestern habe ich mein letztes Geld einem Mann übergeben, der uns sein Boot leiht, sowohl ein Motorboot als auch ein Segler. Mit diesem wollen wir unsere Flitterwochen auf dem Mittelmeer verbringen. Auf diesem Boot möchte ich unseren ersten Sohn zeugen, der in Zukunft gegen die korrupten und unmenschlichen Russen kämpfen wird, die versuchen, Dein Land zu besetzen und zu zerstören. Leider war das mein letztes Geld, das ich hatte. Aber jetzt sagst Du, dass Du es brauchst. Der Vermieter des Bootes ist mit seinem Fahrzeug auf einer Tour, das heißt, ich muss warten, bis er zurückkommt, um ihn zu bitten, mir das Geld zurückzugeben. Am besten wäre es, wenn Du mir in der Zwischenzeit Deine Adresse oder die Nummer Deines Kontos gibst, auf das ich Dir das Geld überweisen kann, falls ich es bekommen habe. Auch Deine Telefonnummer wäre gut. (Ich weiß, dass ich einen Betrag von etwa einer halben Million Euro erben werde, aber nicht in naher Zukunft).

Aber ich hoffe, Du findest jemand anderen, der Dir das Geld leiht. Dann wirst Du nach Deutschland kommen und wir werden eine Hochzeitsreise machen, die Du nie vergessen wirst, da bin ich mir sicher.


Ich warte ungeduldig auf Deine Ankunft in Deutschland.


Dein Dich ewig liebender Ehemann


Werner



Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram