meine Luftfreundin

Meine Mutter wunderte sich.

„Mit wem redest du da?“ fragte sie mich.

„Mit meiner Luftfreundin“, antwortete ich hastig, unüberlegt und etwas verlegen.

Meine Mutter hat diese Antwort nie kommentiert. Meinen Vater hat es sowieso nicht interessiert, als er abends nach Hause kam. Und ich wollte darüber eigentlich nicht sprechen. Die Luftfreundin gehörte ausschließlich mir.

Ich hatte also eine Luftfreundin. Sie lebte und wohnte - wo eigentlich? Ich weiß es nicht. Das hatte ich mir nicht überlegt. Sie war einfach da. Natürlich in der Luft, wo sonst? Das war das Praktischste für mich. Sie war immer gleich zur Stelle wie die Luft um mich herum, wenn ich sie brauchte, hörte mir immer zu, wenn ich vom Kindergarten oder der Oma erzählte oder mich über meine Mutter oder meinen Vater beschwerte oder die Welt nicht mehr verstand. Es gab so manches, das ich mit der Luftfreundin zu besprechen hatte. Meist dann, wenn ich Mittagsschlaf halten sollte.

Ich glaube auch, sie hatte einen Namen. Nur: welchen? „Petratrudi“ hieß sie jedenfalls nicht. So hieß meine Puppe. Das weiß ich noch genau. Ich hab also ihren Namen vergessen, genauso wie das, was sie mir antwortete, weiß ich nicht mehr. Ist ja auch schon mehr als 70 Jahre her.

Hauptsache sie war da, meine Luftfreundin.