...Man darf mit Fug und Recht annehmen, dass hier BESTIMMUNG, Schicksal, GESCHICK & Berufung - einer kann nicht anders & wird sozusagen ins Dichten, zum Wort-Werk gerufen, ja gezwungen (Hölderlin spricht einmal von ‘heiliggenöthiget sind wir‘) - fundamental sind. ‘Dinge’, auf die das "persönliche" Wünschen & Wollen wenig Einfluß hat: Die dergestalt Genötigten haben absolut & gleichsam von Natur aus keine Wahl. Beneidenswert? Der Preis ist oftmals hoch!
Denn sie finden sich aus einer weltzeitllchen Not heraus (’Wer, wenn ich schrie, hörte mich denn aus der Engel 0rdnungen?"/Rilke) ausgeliefert an die - bisweilen wahnsinnige - Aufgabe (das Erleuchten, die "mühen der notwendigen trage"/Stefan George, führt dann schier unausweichlich in Umnachtung; manch einer, wie Kleist, hält’s auch nicht aus), dem, was INSGESAMT ist & der (Ver-)Dichtung entgegenwartet, erhellend zur Sprache zu verhelfen. Das scheint - neben einem Schmerz, der das Herz dieser Berufenen abgrundtlef durchzieht - die Grundvoraussetzung für dichterisch-literarische "Größe" zu sein, die sich - das bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung - nicht ohne entsprechendes ’Talent’/GESCHICK entfaltet.
Die Beweggründe des Schreibens sind dabei zweifellos seit je sehr unterschiedlich. Oft geschieht’s aus "Spaß an der Freud", oft auch aus dem unwiderstehllchen Drang, sich eines thematisch Anliegenden, Lastenden zu entledigen, oft überdies aus verständlicher Eitelkeit & Darstellungssucht. Jene Not jedoch, die einen - in sozusagen geschicklicher Unausweichlichkeit - zu nichts anderem bestimmt als zum dichtenden Hervor-Rufen (Stiften=das Wesen der poiesis/Poesie) oder zumindest Wegbereiten ihrer Wende, ist ferne.
Welche Not wäre das? Allübergreifend einzig diejenige, in der das Wesen des Menschen selbst als Wahrer des Worts & Hüter des Seins auf dem Spiel steht & in Gefahr ist: "kein ding sei, wo das wort gebricht’/Stefan George. Allein dieser Wesensgefährdung wegen, die es erst einmal zu gewahren gilt, sind ‘Dichter in dürfiiger Zeit" - deren Merkmal der "Fehl Gottes‘ (Göttliches nicht im christlichen Sinne!) ist - not-wendig & scheinen selbst solche ‘Leiden, die Ödipus getragen, als wie ein armer Mann klagt, daß ihm etwas fehle"/Hölderlin.
Der Raum des Gedichtes als Wort-Werk - das Element also, in dem es sich entfaltet & bewegt – ist die Sprache, die nur uns Menschen eignet und (Welt) entbergenden Charakter hat. (Der Mensch ist Lebewesen, das die Sprache hat "zoon iogon echon" & das Wort bringt zur Erscheinung "logos apophansis’/Aristoteles). Durch dieses Lebewesen selbst geht von Anfang an - “Schmerz versteinerte die Schwelle"/Trakl - ein merkwürdiger Riss, weswegen Nietzsche den Menschen später als "das noch nicht festgestellte Tier" denkt & damit auf seine Weise der traditionellen metaphysischen Definition des Menschen als "animal rationale" entspricht.
Der Riss verläuft sozusagen zwischen dem Zoologischen & Logischen, dem Animalischen & Rationalen, der Tierheit & Vernunft in uns. Er bildet allem Anschein nach den bislang unversöhnten Ur-Sprung & Zwischen-Raum unseres Daseins. Dieses harrt - still schreiend & einer offenen Wunde gleich - der Heilung. Hölderlin wusste davon: "es fehlen heilige Namen“, "wenn aber ein Gott erscheint...kömmt allerneuende Klarheit" - das heißt auch Feststellung und Versöhnung unseres wundgleich aufgerissenen & ver-rückten Sprach-Wesens. Eine Dichtung, die seine insgeheim unentwegt klaffenden Ränder ver-dichtend (an)einander näh(er)te, zusammenriefe ins einige Ganze, wäre wie göttliche Heilkunst & ihr Dichter ein begnadeter Wundarzt der Welt - „Ich trete vor Einem zurück, der noch nicht da ist, und beuge mich ein Jahrtausend ihm voraus vor seinem Geiste"/Kleist.