Mein Job als Assistentin bei Reinicke war bedauerlicherweise von Vornherein befristet. Die Zusammenarbeit erwies sich als angenehm, ich mochte den fröhlichen Reinicke: Ein gemütlicher, rundlicher Mittfünfziger mit Stoppelfrisur und ungesund geröteter Gesichtsfarbe. Selten sah ich ihn ohne eine filterlose Zigarette am Schreibtisch sitzen. Außerdem sei er auch dem Alkohol nicht abgeneigt, munkelte man.
An jedem zweiten Montag tagte der Vorstand des Konzerns, und sowohl Reinicke als Geschäftsführer einer Konzerntochter als auch Drexler, Geschäftsführer einer weiteren Tochtergesellschaft, nahmen daran teil. Beide gingen sich ansonsten soweit wie möglich aus dem Weg, wie ich schnell herausfand, und Reinicke machte keinen Hehl daraus, dass er Drexler für großmäulig und unfähig hielt, selbst wenn er dies mir gegenüber nie wortwörtlich geäußert hätte.
Zu den drei weiteren Mitgliedern des Vorstands gehörte ebenfalls Ferdinand Weitershaus, ein Nachfahre des Firmengründers und somit Teil eines schwerreichen Familienclans. Reinicke war voll des Lobes über ihn, und er betonte immer wieder die bescheidene Art und die Geradlinigkeit von Weitershaus.
Eines Montags kam Reinicke nach der Vorstandssitzung bis über beide Ohren grinsend zurück ins Büro. Er verfiel immer wieder in ein kräftiges Lachen, während er mir über die Sitzung erzählte. Ich fürchtete um seine Gesundheit, da sein Gesicht eine noch ungesündere Farbe annahm als üblich.
Drexler war an diesem Morgen mit einer dick verbundenen Hand erschienen. Man erkundigte sich, was ihm widerfahren sei, und Drexler erklärte ausführlich und angeberisch, wie es wohl oft seine Art war, dass er sich beim Anlegen eines Teiches in seinem Garten verletzt habe. Worauf Weitershaus trocken einwarf: „Ich hab auch einen Teich.“
Reinicke musste mich aufklären, damit ich seine Belustigung verstand: Weitershaus besaß draußen vor der Stadt ein imposantes Pferdegestüt mit einem riesigen Teich. Reinicke hatte dort bereits mehrmals an einem Sommerfest teilgenommen und konnte also die Dimensionen einschätzen. Während die anderen Anwesenden verhalten gegrinst hatten, musste Reinicke wohl einen wahren Lachkrampf bekommen haben. Er kannte nämlich seit einer Einladung bei Drexler auch dessen bescheidenen Garten hinter dem Einfamilienhaus.
Für den Rest der Sitzung soll Drexler sich auffallend zurückhaltend benommen haben.