Carl Spitzweg, Post im Rosenthal
Halli hallo die ✉️ Post ✉️ ist da!
Per pedes, sieht man, kommt sie ja
ins eng bebaute Rosenthal
verlässlich wie beim letzten Mal.
Blauer Himmel, Sonnenschein -
ach! wär' doch das Briefchen mein!
Glänzt vielleicht in schatt'gem Zimmer
gleich ein froher Hoffnungsschimmer?
Des Mädgens Herz, hüpft's schon im Leibe,
sehnend, dass der Liebste schreibe?
Ein Brief?! Ein Brief?! Von ihm?! Für mich?!
Pocht ihr Herz schon wonniglich,
ziert schon sanftes Rot die Wangen,
schwankend zwischen Hoffen, Bangen?
Oh, es scheint: Er hat geschrieben;
der Bote winkt der holden Lieben -
von Licht bestrahlt die Amtsgestalt
naturelement von hinten halt,
weil ihre Front gen Mädgen zeigt,
das sich zum off'nen Fenster neigt -
mit einem Brief und in Gedanken,
die stets sich um den Liebsten ranken,
der in der Ferne weilt, im Felde
und gegen Feinde kämpft in Bälde
ODER von seiner Rückkehr kündet,
was Sehnsucht in der Maid entzündet,
drückt sie die Nachricht schon ans Mieder
und sieht gespannt zum Boten nieder...
Neun weit're Mädgen sind im Bilde -
was führt Spitzweg bloß im Schilde?
Acht davon schau'n hin zum Boten;
unterm Dach die, mit den roten
Blüten in den ird'nen Töpfchen,
allerdings hebt nicht das Köpfchen.
Kein Wunder wär's, weil's sich kaum lohnt,
wenn nur gefragt würd', wo wer wohnt,
um einen Brief zu übergeben
den man ja selbst mit Herzebeben
seit langem schon erwarten mag...
und wieder ein Nur-Hoffen-Tag,
wo verliebte Taub' mit Taube
turtelt nah des Türmchens Haube
unter der sie sitzt und harrt,
während alles blickt und starrt!
Doch seltsam wie sie sich benimmt,
ist diese Post für sie bestimmt
und sie erscheint so scheu-vertieft,
weil sie es ahnt: ER KOMMT...verbrieft!...