Schwarzverkehr

Gedicht

von  Isensee

Schwarz auf nassgefahrener Haut. Stillstand.
Deine Krallen markieren den Beton, als wär’s ein Nest.
Nicht oben. Hier.
Zwischen heiserem Bremsen und dem Flackern von Augen hinter Glas.

Lautlos das Züngeln der Ampel:
Rot.
Deine Bühne.
Hunger spannt sich durch Sehnen, die sich nicht rühren.
Du weißt, dass es kommt.

Gelb.
Das Grollen tief aus den Metallmäulern.
Das Rollen, das Warten.
Die Spannung in den Fingern, an den Pedalen, am Rand des Sprungs.

Grün.
Räder setzen an, spritzen Schmutz wie Splitter.
Du zählst. Eins. Zwei. Drei.
Und da – das Klacken, das Splittern.
Die Schale, die bersten muss,
der Kern freigelegt von 200 PS.
Die Motoren knacken, wo deine Schnabelspitze es nicht kann.

Du springst.
Nicht hoch. Tief.
Schnappst, bevor der nächste Satz aus Benzin dich übertönt.
Die Ampel wechselt.
Wieder. Wieder.

Rot.
Dein Blick kippt ins Hupen.
Zu viele Farben, zu viele Richtungen.
Aber du weißt: die größte Nuss liegt noch da.
Unberührt.
Ruhend.
Ein Versprechen.

Gelb.
Der Schatten, den du wirfst, zittert im Öl.
Krallen tasten sich nach vorn.
Die Lichter brennen heißer.
Bremsen lösen sich, Zähne, die langsam das Kiefer lockern.
Du kannst es hören.
Du kannst es sehen.
Du kannst es sein.

Grün.
Ein Scheinwerfer wie ein Auge Gottes.
Ein LKW mit Hunger im Kühlergrill.
Sieben Tonnen Betonmusik auf dich zu.

Sprung.

Schwarz trifft Schwarz.
Ein Moment lang: Ruhe.

Dann – das -
Knacken.

Hart.
Dumpf.
Ein Riss, der den Himmel spaltet.

Der LKW fährt weiter.
Dein Körper bleibt.
Etwas glänzt im Schmutz.
Federn, verteilt wie Blätter im Herbst.

Die Ampel schaltet.
Rot.
Gelb.
Grün.

Ein Fuß setzt an.



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