Er sagt. Sie sagt. (Schirach)
Text
von Saudade
Hier der Plot:
https://www.stern.de/kultur/tv/ferdinand-von-schirach--er-sagt--sie-sagt---zwei-wahrheiten---ein-prozess-34492108.html
Vorweg: Im Zuge meiner Ausbildung war ich bereits in Anwesenheit bei Strafprozessen, aber nie bei einem, wo Aussage gegen Aussage stand. Ich werde jetzt spoilern müssen, also, wer es noch nicht gesehen hat, der bricht hier bitte ab bei Interesse an dem Film, schaut ihn sich an, liest dann weiter.
Weiters kenne ich die deutsche Strafprozessordnung nicht. Zivilrecht wäre einfacher, denn Deutschland hat unsere großartige (für Studenten mühsame) ZPO fast 1:1 übernommen, jedoch im Strafrecht sieht es anders aus.
Somit kann ich nur meinen, dies aus österreichischer Sicht, dass der schwere Ermittlungsfehler der Beweismittel seitens der Polizei sicher Einfluss auf das Urteil gehabt hätte. Ob es so schwer wiegt, kann ich nicht sagen, aber wenn nur der Mantel Auskunft gegeben hätte, ob die Spermaspuren frisch gewesen wären (der Anwalt der Nebenanklage stellte es mit einem Papier gut dar), dann ist meiner Ansicht nach eine große Sauerei passiert.
Sei es drum, das rote Kleid ist weiters meiner Ansicht nach, und auch der Ansicht der Verteidigung, zu vernachlässigen, jedoch spielt es in folgenden Überlegungen doch mit, nämlich, das wurde im Prozess nicht gesagt: Sie sagte aus, sie ging in ein Cafe Zeitung lesen, das sei für sie Arbeit (sie ist Fernsehmoderatorin), das Cafe läge 20 Minuten Gehweg von ihrer Wohnung entfernt. Danach traf sie zufällig den Angeklagten, der sie in seine Wohnung einlud, sie ging mit. Seine Wohnung war um die Ecke.
Hier ein Stopp.
Diese Sätze wurden von der Verteidigung nicht aufgenommen. Auch nicht, dass sie "ganz zufällig" das rote Kleid, das er ihr schenkte, sie beim letzten Treffen, vier Monate zuvor, wo sie miteinander schliefen, anhatte.
Meine Fresse, wie man in Deutschland so schön sagt, sie geht also ganz zufällig in ein Cafe um die Ecke, wo er wohnt und hat bei 28 Grad einen Trenchcoat an und das rote Kleid des letzten Treffens.
Auch interessant: Er sagte am Ende der Verhandlung, sie hätte ihn oral befriedigt, dann verschwand sie im Bad, kam dann zurück und diskutierte nochmals über die Fortführung ihrer Beziehung.
Sie hingegen sagte aus, ganze Zeit ließ er nicht von ihr ab, wehrte sich, aber er war schwerer, jedoch kurz bevor er kam, stieß sie ihn mit aller Kraft weg und er kam am Boden auf ihrer Kleidung. Danach ging sie ins Bad und duschte, machte auch eine Vaginalspülung und dann setzte sie sich zu ihm auf die Couch und redete nichts. (die Ärztin fand vaginal nichts) Zuhause duschte sie nochmals und machte wieder eine Vaginalspülung. Sie ging erst drei Tage später, auf Anraten der Freundin, zur Polizei.
Beweis:
Später ging sie, den Trenchcoat geschlossen, nicht den Nebeneingang hinunter, sondern den Haupteingang, wo eine Kamera ist. Sie sagte aus, sie hatte den Code nicht vom Nebeneingang.
Die Aussage der Psychologin war sinnbefreit zum Fall. Sie erzählte über alles rund um Vergewaltigungsopfer, jedoch nicht, warum sich eine frisch Vergewaltigte noch zum Opfer setzt und dort sitzen bleibt.
Weiters, die beste Freundin seit Schultagen, wusste den Namen des Liebhabers nicht, weil die Nebenklägerin (Anmerkung: Hauptkläger ist die Staatsanwaltschaft) den Angeklagten schützen wollte.
Ich bin verpflichtet, diese Aussagen und Tatsachen aus dem Kopf heraus zu verwerten und ich glaube ihr kein Wort, sondern dem Angeklagten.
Weiters, kam noch die Aussage der in Scheidung lebenden Gattin des Angeklagten hinzu, die zu Protokoll gab, dass er ihr die Tat gestand. Die Verteidigerin meinte, das mache sie absichtlich, es ginge um den Unterhalt der Kinder. (Wie sollte er im Gefängnis Unterhalt zahlen? Das war ein schwaches Argument. Ein Stärkeres wäre: Gekränkte Ehefrau, wurde vier Jahre lang betrogen und nachher wurde alles durch die Medien gezogen. Diese Aussage lässt zweifeln.)
Wie geschrieben, ich glaube: Er machte am 22.5. mit ihr Schluss am Telefon, sie war vier Monate völlig fertig, am Tattag, den 14.8., ging sie im roten Kleid in das Cafe um die Ecke, wo er wohnte, in der Hoffnung ihn zu sehen. Es klappte alles wie am Schnürchen. Er lud sie ein. Weiters die Aussage des Angeklagten, dass sie auf der Couch saßen und über eine Fortführung einer Beziehung redeten. Dass sie ihn oral befriedigte glaube ich ebenso (wer das schon einmal gemacht hat, weiß, dass etwas aus dem Mund kommen kann und auf die Kleidung tropft), auch glaube ich, dass sie nachher noch weiter diskutierten. Da beide angaben, der jeweils Andere wäre die große Liebe, glaube ich an diese Form der Befriedigung. Dies ist, im Übrigen, die (hoffentlich stets einvernehmliche) demütigste Form der Befriedigung, die auch als "Nimm mich zurück"- Waffe eingesetzt werden kann.
Jedoch, es ist schwierig, daher in dubio pro reo.
Als Bauchbemerkung sei geschrieben: Sowas ist eine juristische Katastrophe, wenn Aussage gegen Aussage steht, denn viele Frauen sind schon als junge Mädchen vergewaltigt worden und Täter sind deswegen frei gesprochen worden. Noch in den 80' und Anfang der 90' gab es spektakuläre Richterentscheidungen, wo der Richter erklärte, das Opfer könne gar nicht vergewaltigt worden sein, weil es so hautenge Jeans anhatte.
Viele junge Mädchen mussten auf Parties schon einiges über sich ergehen lassen, jede fünfte Frau, so sagt man, ist in ihrem Leben schon einmal sexuell belästigt worden. Früher zählte der Po nicht zu den Geschlechtsorganen, das wurde erst vor ein paar Jahren im Strafgesetzbuch geändert. Das ausartende am Po greifen war also nicht strafbar.
Andererseits, siehe den Kachelmann-Prozess, wurde das vermeintliche Opfer als Lügnerin entlarft. Sowas darf einfach nicht sein, denn es schädigt nicht nur den Angeklagten, dessen Ruf für immer zerstört ist, sondern auch den vielen Frauen, die wirklich eine Vergewaltigung erlebten.
Hier noch, was für die Nebenklägerin sprach, sagte ihr Anwalt im Plädoyer: "Warum sollte sie ihre Karriere aufs Spiel setzen für eine erfundene Geschichte?"
Nun, möglich wäre ein absoluter Liebeswahn: "Kann ich dich nicht haben, zerstöre ich dein Leben und meines ist ohne dich sowieso zerstört."
Liebeskummer treibt die höchsten strafrechtlich relevanten Blüten und ist auch unter die Depression zu subsumieren. So sagte der Angeklagte auch aus, dass beide Depressionen hatten.
Ich glaube ihr leider nicht.