Ἔρος δηὖτέ μ’ ὀ λυσιμέλης δόνει,
γλυκύπικρον ἀμάχανον ὄρπετον.
(Sappho, Fragment 130)
Wieder einmal packt mich die Liebe, diese Gliederlöserin,
bittersüß und unausweichlich, kriechend.
die größte dichterin vom griechenland
hat „bittersüß“ den eros einst genannt -
weil ihr der liebe wesen tief bekannt
hat sie sich nie in duselei verrannt
im gegenteil: was liebe ist ermisst
kein mensch der je ihr bitteres vergisst
denn liebe lässt das was sie liebt es sein
besitzansprüche stell'n sich da kaum ein
und eifersucht schon gar nicht die im blick
sich selbst nur hat statt des geliebten glück
insofern fordert liebe ein verzicht
fernab von aller duseligen sicht
auf haben- und besitzenwollen
wie auch liebeskrankes schmollen...

In holder Runde, das Herz tief befangen,
saß Sappho auf Lesbos am Strand;
die Mädchen im Kreise, sie scherzten und sangen
und reichten zum Reigen die Hand.
Das heitere Treiben nahm Sappho kaum wahr –
ihr Blick war von Anmut gebannt
einer einzigen nur in der fröhlichen Schar,
die Zweifel der Liebe nicht kannt´.
...Du bist so schön, dass ich erbebe,
du bist so jung und ich schon alt,
du bist der Traum, für den ich lebe –
wen liesse solcher Liebreiz kalt?!
Voll Scheu bin ich, du unbeschwert,
mich reisst es hin und du bist da,
doch dies Begehr´n, das mich verzehrt,
macht dich mir fern zugleich und nah!
Die Sonne selbst muss fast erbleichen
mit ihrer strahlenden Gestalt
vor dieser Schönheit ohnegleichen,
die machtvoll in mir widerhallt!
Das Glück zu kosten, das ich träume,
ist mir vom Wesen wohl verwehrt,
damit das Dichterross ich zäume
und Sehnsucht sich in Worte kehrt!...
