Das Nichts, der Eiserne Wille und ich.

Erzählung

von  hehnerdreck

Echt, ich hätte nie gedacht, dass das mit dem Nichts so gut läuft, so vielversprechend sein könnte. Fridolin hat mich zwar gewarnt vor den Nichten des Nichts und auch vor einer möglichen Vernichtung, die vom Nichts ausgehen könnte. Aber ich denke, das war vielleicht nur Wortspielerei – eine schöne Wortspielerei übrigens –, vielleicht steckt ja auch ein bisschen Wahrheit drin. Wer weiß. Auf jeden Fall fühle ich mich mit dem Nichts richtig wohl. Alles, was wir zusammen machen, hat Hand und Fuß. Und nicht nur das: Das Nichts kennt unendlich viele andere Phänomene, von denen ich gern mehr erfahren würde. Und noch lieber kommuniziere ich mit ihnen, weil sie so ganz anders sind als alles, was man sich sonst vorstellt.

Zum Beispiel haben das Nichts und ich nicht nur allein im Kaffeehaus gesessen und die Leute beobachtet. Nein, wir hatten einen Gast – jemanden, der wie das Nichts eine bestimmte Eigenschaft personifiziert: den Eisernen Willen. Wir mussten beide ständig lachen, wenn wir uns den Eisernen Willen vor uns sahen – mit seiner verkrampften Art und diesem unerträglichen Getue. Ehrlich gesagt hatten wir auch ein schlechtes Gewissen gegenüber ihm. Mit seinem ständigen harten Blick schaute er uns an – während das Nichts viel gelassener war. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, dem Eisernen Willen beizubringen, lockerer zu sitzen und die Gesellschaft von mir und dem Nichts mehr zu genießen. Wahrscheinlich ist mein Helfersyndrom wieder durchgekommen.

Aber glaubst du wirklich, dass der Eiserne Wille auch nur auf ein einziges Wort von mir reagiert oder es überhaupt verstanden hätte? Nada! Der Eiserne Wille hat nichts von meinen Worten mitbekommen – weder gehört noch registriert. Er wollte auch nichts ändern. Kurz entschlossen haben das Nichts und ich beschlossen, ihn zu bitten, uns zu verlassen. Doch er reagierte nicht einmal auf unsere Aufforderung. Er saß einfach da, blickte stoisch vor sich hin – ganz ruhig und unbewegt.

Wir versuchten es mit einer anderen Strategie: Wir ignorierten ihn einfach nur noch und unterhielten uns leise weiter, sodass er nichts mitbekam. Es dauerte nicht lange: Plötzlich stand der Eiserne Wille auf und verließ mit festem Blick und festen Schritten das Café. Wir schauten uns an und freuten uns, denn wir hatten die richtige Strategie gefunden, um ihn endlich loszuwerden.


Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Regina (01.06.25, 08:01)
Diese Gegenüberstellung von Nirwana und eisernem Willen ist interessant. Bei jeder Katastrophe wartest du darauf, dass der eiserne Wille so schockiert wäre, dass er umdenkt. Aber er denkt nicht um, nicht, bevor das Unausweichliche geschieht, nicht, bevor der Tod sich ankündigt.

 hehnerdreck meinte dazu am 02.06.25 um 11:45:
Sehr anregend, Dein Kommentar. Herzlichen Dank.

 Fridolin (01.06.25, 15:42)
Wo war denn der Strahlende Sieger? Der ist doch meistens zusammen mit dem Eisernen Willi unterwegs. Das wäre eine sehr interessante Begegnung gewesen: The winner takes ist all, und jetzt sitzt er plötzlich dem Nichts gegenüber, das sich nur für Hehnerdreck interessiert ...
Da wäre eine Welt zusammengebrochen!

 hehnerdreck antwortete darauf am 02.06.25 um 11:52:
Aha, so denkt also nur ein Sportbegeisterter oder ein ehemaliger, vielleicht sogar aktiver Sportler – denke ich zumindest gerade jetzt. Ja, das wäre natürlich eine sehr interessante Begegnung. Allerdings ist der Sieger einer Illusion zum Opfer gefallen. Wenn er eines Tages erkennt, welche tatsächlichen Auswirkungen sein Sieg auf das Ganze hatte, wird ihn eine schmerzhafte Ernüchterung einholen. Ich war Leistungssportler und in manchen Disziplinen sogar erfolgreich. Dann kam eine Art spirituelle Phase und die Ernüchterung war alles andere als angenehm. Zwar kann man während des Wettkampfs auch viel Menschlichkeit und ehrenvolles Verhalten zeigen, was ja in der Realität eher seltener vorkommt, aber ... nun ja.

 Fridolin schrieb daraufhin am 02.06.25 um 17:55:
Ja, naheliegend. Aber der Sport ist nur der Anfang, der uns auf höhere Aufgaben vorbereitet; sehr verbreitet ist der Mythos dann schon im "business", der eigentliche Höhepunkt ist allerdings der Krieg, wie wir "Glücklichen" ihn gerade, ob im Osten, ob in Israel, erleben dürfen.
München durfte gerade das Championsleague-Finale erleben. Wie fern ist da der Krieg? Man hüllt sich schon mal in Feuer- und Rauchschwaden und brüllt, was die Lunge hergibt. Und alles ist begeistert von der großartigen Stimmung, während ihnen die Angst vor der Niederlage schon  unübersehbar ins Gesicht geschrieben ist ... Toll! Und die Revanche ist garantiert.
Man drücke auf den Abschaltknopf und erlebe -
ein friedvolles, beglückendes Nichts. Ich beneide Dich um Deinen neuen Freund.

 hehnerdreck äußerte darauf am 02.06.25 um 20:01:
Oder Freundin (geschlechtslos). Was mich am Sport besonders ärgert, ist, dass man öfters den Spruch hört: Zweiter Platz ist nichts wert - nur der erste zählt. Asozialer gehts doch wirklich nicht mehr, wenn man einem jungen Menschen solche Werte vermittelt. Und dann die Eltern, oft die Väter die mit grimmigem Gesicht ihren kleinen Ebenbildern mit vielerlei Schikanen Disziplin einhämmern wollen. Hatte beim Training einige Nervenzusammenbrüche, weil ich meine Erwartungen an mich selbst nicht eins zu eins umsetzen konnte. Hatte auf der Rechnung nicht, dass es auch so etwas wie unterschiedliche Tagesformen gibt. Aber wem sag ich das ... Mein/e Freund/Freundin ist übrigens noch für einige Überraschungen gut, sofern ich fähig bin, meine Erlebnisse mit ihm/ihr auch anschaulich und ausreichend gut genug wiedergeben zu können.
Zur Zeit online: