Wir könnten doch ...

Kurzgeschichte zum Thema Beziehung

von  Clown

An diesem Donnerstag-Nachmittag war es, gelinde gesagt, etwas nervig. Ich hatte frei und saß mit einem Tee im Wohnzimmer, als plötzlich ein ohrenbetäubendes Hupen von draußen durch das offene Fenster drang. Genervt schloss ich es und drehte die Musik lauter. Das Tuten war immer noch zu hören, aber wenigstens gedämpft.


Was da draußen vor sich ging, wusste ich: Das Auto eines frisch vermählten Paares, gefolgt von einer Karawane von Verwandten, Freunden und Bekannten, die alle wild hupten – wahrscheinlich waren sie nicht nur euphorisch, sondern auch gut betrunken. Nicht von Alkohol allein, eher von der Vorstellung, Teil der „schönsten Sache der Welt“ zu sein. Ja, da hatte ein Männlein zu einem Weiblein gefunden, und das nennt man Hochzeit – ein Ereignis, das natürlich gebührend gefeiert werden musste.


Ich muss bei so was immer an meine Eltern denken: Wie die Teller und Tassen durch die Gegend flogen und wie sie sich anschrieen. Rücksicht auf Nachbarn oder Kinder? Fehlanzeige! Aber soweit waren die da draußen noch nicht - das kommt erst später; wenn die anfängliche Euphorie verflogen ist und der Alltag Einzug hält. Heiraten und Nachwuchs in die Welt setzen, ist der Sinn des Lebens. Und das wird er auch immer sein. Wie mein Vater so schön sagte: „Wenn du groß bist, wirst du´s verstehen.“ Nun ja, ich wurde größer und ich verstand so einiges - und ich schwor mir bereits mit zwölf Jahren, dass ich niemals heiraten werde, egal was kommt.


Das Hupen draußen nahm wieder zu. Eine Weile hatte man es nur leise aus der Ferne vernommen; die Hochzeitsgesellschaft drehte ihre gewohnte Runde um´s Viertel. Jetzt kam sie wieder bei mir vorbei. Von daher hatte ich das Fenster geschlossen gelassen und die Musik auf laut. Wenn man Pech hatte, an so einem „glücklichen Tag“, gab es noch eine dritte- oder gar vierte Runde. Geduld und Nerven waren gefragt.


Ein Stück zurück in meiner Erinnerung lernte ich Angelika kennen. Auf einer Party überwand ich meine Schüchternheit und sprach sie an. Wir kamen nett ins Plaudern und ich durfte sie später nach Hause fahren. Sie stieg aus, ließ die Autotür offen, das Gartentor offen und die Haustür halb offen – kichernd rannte sie durch den Treppenflur nach oben. Ich folgte ihr, ließ das Auto unverschlossen und fand ihre Wohnungstür nur angelehnt. Wir landeten in ihrem Schlafzimmer und hatten einen Quickie. Ob er gut war, weiß ich nicht mehr. Was ich jedoch weiß, ist, dass ich danach an meine Eltern denken musste. Bei ihnen ist es sicherlich anfangs ähnlich gelaufen. Partylaune, Wein, Sex und dann schnappte die Falle zu. Die süßeste Falle, die bei ihnen in einer Hochzeit und später im Käfig des Alltags endete. Und schließlich flogen die Teller und Tassen, wenn sie sich stritten.


Das Hupen war inzwischen nur noch von weitem zu hören, dann mit einem Mal gar nicht mehr. Ich atmete auf und war regelrecht erleichtert, als sie ihre Runden einstellten. Ich konnte die Musik leiser drehen und frische Luft herein lassen.


Die Beziehung zu Angelika wurde dann doch regelmäßiger, obwohl ich immer das warnende Beispiel meiner Eltern vor Augen hatte. Aber es war erträglich. Sie wurde nicht schwanger, wir wohnten nicht zusammen und wir trafen uns nicht täglich. Drei Jahre sind inzwischen vergangen. Wenn wir so weiter machen, denke ich, werden wir noch lange nicht an den Punkt kommen, wo wir uns Tassen und Teller an den Kopf werfen. Aber wie das so ist, kann einen das Leben manchmal in eine andere Richtung ziehen, als man es sich wünscht. Manchmal wird einem genau das präsentiert, was man am meisten von sich abweisen möchte. Vielleicht wirken diese abgewiesenen Dinge wie ein Bumerang, der früher oder später wieder zurück kommt – vielleicht sogar mit voller Wucht.


Kurz und gut: Eines Tages fragte Angelika: „Charlie, möchtest du nicht bei mir einziehen? Meine Wohnung wäre groß genug. Wir könnten immer zusammen sein und die Miete teilen.“ Ich war so schockiert, dass ich mich erst mal setzen musste. Ist dir eigentlich klar, hätte ich am liebsten gefragt, dass wir uns über kurz oder lang Geschirr an den Kopf werfen? Aber ich ließ das natürlich. Sie war schließlich meine Freundin und ich mochte sie. Also sagte ich halbherzig: „Ich werd´s mir überlegen.“ Dabei kannte ich die Antwort schon. Angelika fügte hinzu: „Vielleicht sollten wir, wenn wir schon dabei sind, richtig klar Schiff machen!“ Richtig klar Schiff? Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Auf meine Frage antwortete sie: „Wir sind lange genug zusammen, kennen und lieben uns. Wir könnten doch heiraten!“







Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Regina (12.06.25, 22:35)
Zum Geschirrwerfen gibt es doch nach alter Sitte den Polterabend.

 Clown meinte dazu am 13.06.25 um 08:50:
Hallo - stimmt! Aber man wirft sich das Geschirr nicht an den Kopf.  :D

Antwort geändert am 13.06.2025 um 08:53 Uhr

 tueichler (13.06.25, 00:04)
Man wirft, nach alter Väter Sitte,
das Geschirr erst in die Mitte
des Raums
beim Versprechen
Nach dem Schwur vor dem Altar
der das Ziel des ganzen war
herrscht Glück
des Traums
das wird sich rächen

 Clown antwortete darauf am 13.06.25 um 08:51:
Hallo, da ist wohl was dran.  :)

 Graeculus (13.06.25, 00:56)
Wie es schon bei Shakespeare heißt: "Besser gut gehängt als schlecht geheiratet." (Many a good hanging prevents a bad marriage.)

Du verwebst das Hupen des Hochzeitkorsos gekonnt mit Deiner Erinnerung.

Kommentar geändert am 13.06.2025 um 00:59 Uhr

 Clown schrieb daraufhin am 13.06.25 um 08:53:
Hallo - du hast es schön ausgedrückt. So war es gemeint.  :)
Zur Zeit online: