Kurze Geschichte zum Ende eines Lebens (und das wurde nochmal haarscharf und abgehoben)

Erzählung zum Thema Nähe

von  S4SCH4

„Ist dir mit mir langweilig?“, fragte ich sie.

„Falls dem so sei, schick mich bitte fort, ich gehe dann, versprochen.“, meinte ich mit großen Augen, groß genug für riesige Fragezeichen der Schriftgröße 42. (Mein Alter in Jahren)

Mit jedem Lebensjahr waren diese Fragezeichen gewachsen, und 01 war schon groß, denn man schaute früh genau hin, mit Lupen und mit Glaskugeln, die zum Wohle einer Lupenreinheit, sich bald auf einem Opferaltar vorfanden. Darum Schamane und Scharlatane. Doch zurück zum Eigentlichen, ich hatte mein Gegenüber ja zuletzt gefragt, ob ihr mit mir langweilig wäre?

Sie zuckte mit den Schultern.

Da hatte ich meine Antwort! Doch ich wollte mir solch Eindrücklichkeit nicht sofort eingestehen; Liebe und Wahrheit verträgt sich nicht. Vielleicht war sie auch einfach genauso leer und leblos wie ich mich fühlte, vielleicht war sie, auf eine Art und zweierlei Weise, ich?

Mir war nicht nach Alkohol, mir war nicht nach sonstigen Drogen, mir war nach daliegen, regenerieren, um zusammen einen Drachen steigen zu lassen, in Bälde, etwas das unserem Schweigen gebastelt sei, etwas das im Wind erst laut wird, über der Welt, über uns und unter einem Gott, den wir das alles anvertrauen.

Doch bevor ich weiter denken konnte oder etwas mitteilen, ging der Strom aus, und sie erschrak, ich erschrak auch, und niemand traute sich ein Wort zu sprechen, denn in dieser Dunkelheit, sie war derart dunkel und nur an einem kleinen Fleck, nämlich beschienen auf einem Teil des Couchtisches, heller, fiel ein Lichtkegel auf ein daliegendes Messer.

„Ich saß schonmal im Knast und du?“, sagte ich zögerlich, nicht einmal wissend warum und dann schaute ich mich im Raum um, um eventuell ihre Silhouette zu erahnen. Als mein Blick zurück ins einzig Helle wanderte, war das Messer verschwunden.

Mein Herz pochte und ich wäre wohl umgefallen, wenn ich nicht schon liegend gewesen wäre, und so stand ich auf.

Mir wurde schwarz vor Augen und ein Stich ins Herz, war das Letzte was ich spüren sollte. Den Drachen sah ich noch steigen …

Als ich aufwachte befand ich mich im Krankenwagen. Der Schatten, jenen, den ich in dunkler Stunde gesucht hatte, stand neben mir.

„Ich habe dir eine Notfallspritze gegen. Adrenalin, wie in Pulp Fiction, das war doch Adrenalin, oder?“ Ihr Make-up war von Tränen verwaschen, ihre blonden Haare mit Schweiß getränkt. Ich rang nach Worten.

„Sind wir jetzt zusammen?“, presste ich schnell aus mir raus, während sie zeitgleich „Ja?!“ sagte, dies aber eher als Nachfrage gedacht auf meinen offenkundigen Versuch etwas zu sagen, aber nun hatte ich es ja gesagt.

Manchmal ist es eben kompliziert und ein vermeintlicher Komplize wird nie dingfest gemacht. Sie erahnte meine Gedanken und fragte: „Warum warst du im Gefängnis?“

Ich sagte, ich wisse nicht mehr, nahm ihre Hand und machte die Augen zu. Es war schön, zu schön um wahr zu sein. Erneut sah ich einen Drachen steigen, mit mir an der Hand, die ein rotgeflochtenes Band hielt. Runterkommen sollte ich nicht mehr; aufstehen auch nicht. Im Himmel fragte ich, um mit dem Leben abzuschließen, irgendwann mal nach, also warum ich im Gefängnis gewesen sei und man sagte mir diesbezüglich: "Damit dir hier nicht allzu langweilig ist."




Anmerkung von S4SCH4:

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Kommentare zu diesem Text


 Marlena (13.06.25, 23:16)
Ich mag diese Seite und diese Geschichte und dich auch irgendwie und ich wünsche mir so fucking sehr, dass du so viel Glück und so wenig Langeweile und so viel Liebe und so wenig Knast wie möglich erleben wirst, weißt du

 S4SCH4 meinte dazu am 13.06.25 um 23:25:
Danke Marlena, das bedeutet mir sehr viel, ja. Ich wünsche dir den Himmel auf Erden, irgendwie und irgendwann und sofort, du bist so goddamn real, das ist viel wert.
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