Perverse Versehen stellen hier die Fragen

Erzählung zum Thema Abstraktes

von  S4SCH4

Da hing er also, man hatte es ihm ja prophezeit; dies in Form einer Wahrsagerin, die ihn zu Weihnachten aufgesucht hatte, unter seinem ausgeschmückten Weihnachtsbaum mit Sternenhaube auf der Tannenspitze. Das Weihnachtsfest ist indessen längst vergangen, Pfingsten auch, und Ostern sowieso. Was in dieser Zwischenzeit geschehen war, war Verurteilung, war Züchtigung und sollte mit dem Tod enden. Todesstrafe. Was er getan hatte, darüber schwieg man sich aus, gewisse Gewissheit lässt sich nicht gerne hinterfragen und wenn doch, dann nur, um ganz gewiss, heimlich Demagogie zu betreiben. Nun, sei´s drum, er hatte sich mit dem Urteil abgefunden und er dachte folgend, der Tod durch den Strang würde ihn ereilen.
„Ereilen“, welch Ironie, denn seitdem Urteil und dessen Vollstreckung sind inzwischen vier Wochen vergangen. Der Mann hängt immer noch. Und er ist alles, nur nicht tot.
Zuerst einmal ist da dieser Wärter I. Und zum Zweiten ist dort Wärterin G. Was G. macht, ist einfach und schnell erklärt: Sie versteht es, partout stillschweigen zu behalten, keinen Ton herauszubringen, einfach nichts zu sagen über den Verbleib des Mannes. Was I. macht, ist schon diffiziler und erfordert einiges mehr an ... nennen wir es: Zeitgeist. Es ist nämlich so, dass der verurteilte Mann zwar in der Schlinge hängt, sich sein Genick aber nicht gebrochen hat, als er beim ruckartigen Niedergang der Hängung herunterfiel. Er, der Gehängte - oder vielmehr der Hängende - ist bester Kondition, kann sich offenkundig einer guten Physis wie Psyche rühmen und verfügt über eine wirklich außerordentliche Begabung; eine die es ihm erlaubt, an jener Seilschlinge hängend, wenn schon nicht ausdauernd zu atmen, dann es aber doch derart einzurichten, das er für ein paar Stunden überlebt. Bis das er dann regelmäßig, unter einigen Qualen, schließlich doch nach Luft ringt. I., nicht im Stande sich dieses Leid mit anzusehen - schließlich geht es nicht um Qual und Folter in seinem Job - verhilft dem Hängenden, Luft zu bekommen, indem er ihn für eine hinreichende Zeit hochstemmt. Auch Reste von Suppen serviert I. dem Verurteilten, denn verhungern steht nicht im Speise ... ähm ... Tötungsplan jenes Mannes, der immer noch unter den Lebenden ist ... sowie du und ich. 




PS: Man munkelt mittlerweile, dass der Verurteilte unschuldig sei. Die Obrigkeit, unsicher darüber, wie sie mit diesem Fall umzugehen hat, schließlich sei die Strafe vollstreckt, hält noch die Füße still.
Wer also hat den Schneid, jetzt aktiv zu werden und die ganze Geschichte ans Tageslicht zu bringen, oder gar, sich mit Grund und Missgeschick auseinanderzusetzen?
PPS: Erste Vorstöße scheint es zu geben, es gibt bunte Bonbons für alle; sie regnen vom Himmel während Big Brother eine Durchsage vorbereitet


Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Oops (03.08.24, 12:33)
Nebulös irgendwie..wenn ich denke es geht um die Todesstrafe mittels Erhängen ..versucht der nächste Satz eine Illusion zu kanalisieren. .big brother ganz zum Schluss hat mich dann schlussendlich von einem Irrweg überzeugt. Es gibt tatsächlich Länder mit Todestrakt und Todesstrafe durch erhängen . .mit diesem Thema , besonders den Insassen die scheinbar reuig wurden zum Ende hin um ihren Frieden machen zu können, habe ich mich eine Zeit lang beschäftigt.
Deine Art zu schreiben macht diesen Text besonders Besonders:).

LG Oops

Kommentar geändert am 03.08.2024 um 12:43 Uhr

 S4SCH4 meinte dazu am 03.08.24 um 13:35:
Mich beschäftigte das Thema Todesstrafe diese Tage und es ist in den Text eingeflossen, beziehungsweise bildete den Opener für eine weitere Fragen a) im übertragenen Sinn: Gibt es Menschen die bereits - „abstrakt“ gesehen -, in einer solchen Schlinge hängen und dem Tod noch einmal davongekommen sind; zum Preis dieser „Hängewirtschaft“. Und b) wie sieht diese Endgültigkeit einer Entscheidung zur Todesstrafe aus? Muss das sprechende Recht nahezu gottgleich sein um den Tod verhängen, oder reicht eine „unterlegene“, beziehungsweise eine u.U. sogar moralisch minderwertige Sicht aus. Kann/darf die Entscheidung (und wieviel davon) emotionsgetriggert sein?

Du stößt mir mit dem Kommentar auch einen interessanten Gedanken an: Glaubst du, dass die Reue „echt&gerecht“ ist vor dem Tod durch Todesstrafe? Ich stelle mir die Frage: Sollte man sie (die Reue), vielmehr im verbleibenden Leben auszuleben haben und mit ihr konfrontiert sein, als eigentliche Strafe sozusagen.

 Oops antwortete darauf am 03.08.24 um 13:53:
Ich möchte mir da kein Urteil erlauben Sascha. Doch gibt es Menschen im Todestrakt denen nicht 100prozentig eine Schuld nachzuweisen ist, sich dennoch ihrer kriminellen Energien bewusst sind und zum Ende hin so eine Frömmigkeit und sogar ein Dauerlächeln an den Tag legen. Viell. bekommen sie da aber auch Tabletten um das durchzustehen was vor Ihnen liegt. Menschen die zu derartig bösartigen Taten fähig sind, die die Todesstrafe oder lebenslänglich  nach sich zieht, sind nunmal krank.

Das wars von meiner Seite. Ich habe auch nur geantwortet weil ich nicht unhöflich sein wollte. Schönes Woe.

 S4SCH4 schrieb daraufhin am 03.08.24 um 14:04:
Ja, sorry falls ich dich ein wenig getriggert habe. Heikles Thema und ich stimme dir im Grunde zu. 

Dir auch ein schönes Woe

 Teichhüpfer (03.08.24, 12:41)
Da habe ich Leute kennen gelernt, die solche Opfer töten, im öffentlichen Leben. Das Werk ist gelungen, Sasch.

Kommentar geändert am 03.08.2024 um 12:42 Uhr

 S4SCH4 äußerte darauf am 03.08.24 um 13:37:
Hallo Teichi, danke. Deine Brille (Foto heute) mag ich auch.

 Teichhüpfer ergänzte dazu am 03.08.24 um 13:48:
Die Lampe im Hintergrund hängt schief, deswegen mache ich mir solche Gedanken ...

lg Teichi
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram