Die Gartenlaube an der Bahnlinie

Erzählung zum Thema Kunst/ Künstler/ Kitsch

von  obar75

Es war eine mittelgroße Stadt, wie es viele in diesem Land gab und er war einer der aktiven Sprayer dort. Er hatte schon einige Bilder an der Bahnlinie gemalt und sich so einen gewissen Rang in der Szene erarbeitet.
Nun hatte er sich eine neue Stelle an der Bahnlinie ausgesucht. Es war eine Einzelnstehende Gartenlaube, auf der noch kein Graffitibild war und dieses wollte er in der nächsten Nacht ändern.
Tagsüber organisierte er sich noch ein paar Sprühdosen und überlegte sich zu hause schon mal einen Style für den Schriftzug, den er nachts an der Gartenlaube anbringen wollte. Als es schon spät abends war, fuhr er mit der S-Bahn zur nächstmöglichen Haltestelle, damit er nicht einen langen Weg über die Gleise zu der Gartenlaube zurücklegen musste. Als die S-Bahn nun nicht mehr in Sichtweite war, machte er sich auf den Weg zu seiner gewählten Stelle und erreichte diese nach ein paar Minuten. In seinem Kopf war schon die Vorfreude auf den nächsten Tag, wenn er dann mit der S-Bahn an seinem Bild vorbeifahren würde und jeder in dieser S-Bahn sein Bild sehen konnte. Es war ein Gefühl von Macht und Adrenalin, was ihn durchströmte und so fing er, nach einer kurzen Zigarettenpause, sofort an die Buchstaben vorzuziehen.
Als er gerade anfangen wollte die Buchstaben auszufüllen, bemerkte er im linken Augenwinkel, das dort im Licht des Mondes ein älterer Mann stand und in beobachtete. Ohne zu überlegen, sprang er mit einem großen Satz den älteren Mann an und riss diesen zu Boden. Im Rausch des Adrenalins bemerkte er, gar nicht, das dieser schon durch den Sturz ohnmächtig war. Stattdessen schlug er mit seiner geballten Kraft mehrere Mal in das Gesicht des Mannes und dann besann er sich wieder. Schnell packte er seine Sprühdosen in den Rucksack und bewegte sich fluchtartig vom Tatort fort.
Er war froh, als er an der S-Bahnstation stand und bald darauf auch eine S-Bahn kam. Als er zu hause war, fiel er einfach nur total übermüdet ins Bett und schlief ein.
Am nächsten Morgen kam seine Mutter rein und erzählte ihm, das sein älterer Nachbar, von der anderen Straßenseite mit dem er schon jahrelang gut befreundet war, heute Nacht mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht wurde. Der ältere Nachbar soll angeblich einen Sprayer überrascht haben, der an seine Gartenlaube gesprüht hatte.


Anmerkung von obar75:

Bei diesem Text finde ich die Ironie des Endes sehr schön, hätte der Sprayer vorher gewusst, was an diesem Abend passieren würde, wäre er wahrscheinlich garnicht erst losgezogen.

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Kommentare zu diesem Text

neeru76 (54)
(18.02.05)
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BlaueBlume (27) meinte dazu am 03.03.05:
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 obar75 antwortete darauf am 03.03.05:
Liebe blaue Blume,
leider muss ich gestehen, das sicherlich ein bisschen die Emotionen der Menschen bzw. der Protagonisten in den Geschichten fehlen. Aber ich denke mir, dass ich dadurch, dass ich weiterhin schreibe, auch ich mich weiter entwickle. Es könnte sicherlich sein, das ich zu starke sachliche Aspekte in meinen Publikationen habe und nehme dankend deine konstruktive Kritik hin und hoffe, dass ich mich auch immer mehr selber perfektioniere und meine Geschichten so an Charakter gewinnen.
LG
Obar75
mood (28)
(21.02.05)
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 obar75 schrieb daraufhin am 21.02.05:
Liebe mood, danke für deine Worte, ich freut mich, das es Leute git, den ich eine kleine bescheidene Freude mit meinen Texten machen kann und meinen Kritikern, möchte ich an dieser Stelle stellvertretend sagen, das ich an mir weiterarbeiten werde, so lange ich dazu in der Lage bin, aber ich werde mich niemals von ihnen dazu bringen lassen, zu stoppen und meinen Weg nicht weiter zu gehen. Liebe Grüße Obar75
neonlila (27)
(05.07.05)
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 obar75 äußerte darauf am 05.07.05:
danke liebe neonlila,
das hast du vortrefflich erkannt, haben wir nicht schon mal alle unsere zeichen im öffentlichen raum hinterlassen. ob als kinder mit strassenmalkreide oder als frischverleibte unsere herzen in die bäume geritzt. auch ich finde, das das verschandeln von privateigentum ein unding ist und sehe aber als alternative die möglichkeit, das man mehr legale stellen zur verfügung stellt.
LG obar75
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