Spinn ich?!

Anekdote zum Thema Horror

von  Bellis

Gestern fand er statt, mein Alptraum, ganz real.
Der Tag war so schön, seit langem endlich wieder sonnig. Ich war im Außendienst, sah Kühe, Mäuse und Bussarde und freute mich, aus der Stadt rausgekommen zu sein.

Spätnachmittags erwartete mich eine andere tierische Überraschung...
Mein Briefkasten ist von der Sorte, bei der man die „Tür“ nach unten aufklappt, so dass Briefe und Zeitungen wie auf einer Rutsche herausschliddern. Man muss sie nur auffangen, damit sie nicht in Hundeexkremente plumpsen. Denn mein Briefkasten befindet sich außen am Haus, direkt am Gehweg. Praktisch für die Postbotin – und auch praktisch für böse Menschen, die einem Silvesterknaller in den Kasten werfen oder andere Streiche spielen wollen.

Denn als ich gestern meinen Briefkasten aufklappte und die Zeitschrift darin in meine Hand gleiten ließ, sah ich erst sehr spät, dass sich darauf etwas bewegte. Mehr instinktiv (aus seit Jahren verinnerlichter Angst vor krabbelnden Bewegungen) als aus realem Erkennen heraus wedelte ich mit der Zeitschrift. Zurück in den Kasten fiel die größte Wolfsspinne, die ich in meinem Leben gesehen habe. Ungefähr acht Zentimeter lang muss sie gewesen sein. „Wow, ist die groß!“, entfuhr es mir unwillkürlich. Ich starrte sie an, gelähmt vor Schreck, ratlos, was ich tun sollte. Die Spinne saß auf einem Brief, der sich noch im Kasten befand und den ich natürlich haben wollte. Hellbraun war sie, so dass sie auf der bunten Zeitschrift nicht gleich sichtbar gewesen war.

Die Klappe vom Briefkasten hatte ich immer noch in der Hand, und langsam wurde mir bewusst, dass die Spinne viele Beine hatte – die sie auch gerade, zusammen mit ihren furchterregend großen schwarzen Beißzangen, in Bewegung setzte. Sie tastete sich zu meinem Entsetzen auf die Briefkastenklappe herauf und würde bald meine Hand erreichen, wenn ich nicht etwas unternehmen würde.

Ich überlegte panisch. Ließe ich die Klappe fallen, würde die Spinne auf meine Hand oder meine Füße schnippsen. Bei der Vorstellung fing meine Kopfhaut an zu kribbeln und ich ging mit ausgestrecktem Arm einen Schritt zur Seite und damit aus der unmittelbaren Auf-den-Fuß-Fall-Gefahrenzone. Dabei senkte ich die Klappe vorsichtig ab, bis sie schräg am Briefkasten hing, und brachte schleunigst meine Hand in Sicherheit.
Die Spinne kam ins Rutschen. Angeekelt und fasziniert beobachtete ich, wie die Spinne alle acht Beine gegen das glatte Metall stemmte, um Halt zu finden. Doch sie rutschte weiter... Erst an der Kante der Klappe konnte sie sich festhalten. Da hing sie also, mit eckig zusammengefalteten Beinen, zusammengeballt wie ein Netz mit einer Kartoffel darin. Und gefährlich nah neben dem Briefkastenschlüssel, den ich zusammen mit dem Brief wiederhaben wollte.

Was nun? Über die Spinne in den Kasten greifen, um den Brief herauszuholen? Niemals!! Die Spinne von der Kante schubsen? Nun ja... Aber womit? Zaghaft stupste ich mit der zusammengerollten Zeitschrift (die ich mit spitzen Fingern festhielt, weil ja die Spinne darüber gelaufen war) auf das Metall. Die Spinne klammerte sich nur noch besser fest. Ich musste stärker klopfen, aber nicht zu stark, damit die Klappe nicht hochschnellte, und mit ihr die Spinne... Den Gedanken wollte ich lieber gar nicht zu Ende denken. Meine Gänsehaut reichte bereits für eine ganze Geflügelzuchtanlage.
Endlich! Länger hatte sie sich nicht halten können. Die Spinne fiel auf den Gehweg, ganz dicht an die Hauswand.

Mit einem Auge das regungslose Tier beobachtend, holte ich den Brief aus dem Kasten. Dabei fiel mir auf, dass an ihm – und auch an der Zeitschrift, wie ich nun sah – allerhand Straßendreck, Krümel von trockenem Laub und ähnliches, klebte. Zu viel, um von einer Spinne an den Beinen in den Kasten geschleppt zu werden. „Außerdem...“, fragte ich mich jetzt, „wie hat die eigentlich den Deckel über dem Briefschlitz hochgekriegt?“ Ich traue Spinnen allerlei ausgebuffte Gemeinheiten zu, wenn sie sich partout an mich anschleichen wollen. Aber selbst dieses Prachtexemplar schaffte es bestimmt nicht, einen Metalldeckel aufzustemmen und zusammen mit einer kleinen Handvoll Dreck hineinzuklettern. Nee, da hatte offenbar jemand nachgeholfen!

Wie der Rest des Abends aussah, kann sich jeder vorstellen, der genauso großen Ekel vor Spinnen empfindet wie ich: Ein Beruhigungsschnaps wurde hinuntergestürzt, die Wohnung wurde gesaugt und systematisch nach Komplizen abgesucht, und dann saß ich mit hochgezogenen Beinen auf der Couch und fragte mich: Wer war so gemein, meine Angst zu seiner Belustigung auszunutzen? Was würde mich in den nächsten Tagen im Briefkasten erwarten? Und wieviel kostet eine gute Videokamera, die ich von meinem Schlafzimmerfenster aus auf den Briefkasten einrichten könnte? Über Tipps und Trost bin ich jedenfalls dankbar.

Und jetzt mache ich Feierabend und gehe nach Hause. Dass ich heute noch in den Briefkasten schaue, glaube ich aber nicht.


Anmerkung von Bellis:

Ist mir wirklich gestern, am 18.08.2005, passiert.

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Kommentare zu diesem Text


 mondenkind (19.08.05)
au hauera!! ich kann deine panik durchaus verstehen... ich habe man mit meinem auto einen satz auf den (zum glück menschenleeren) bürgersteig gemacht, als mich eine spinne durchs offene fenster ansprang... .)
letzten herbst hatten wir eine kreuzspinne auf unserer terasse, links oben von der markise bis zur wand hatte sie ihr netz gespannt. wir nannten sie THEKLA und beobachteten sie oft staunend, wiie sie ihre beute einfing, gemütlich ein fliegen-päckchen vertilgte und mit der zeit einen immer dicker werdenden, wunderschön gezeichneten bobbes bekam.. kurz vor dem winter verschwand sie dann..... und mit ihr meine arachnophobie... :)
nimm den übeltätern den wind aus den segeln und zupf das nächste mal die kleine fachfraulich und lässig aus dem briefkasten.. .)
liebe grüsse und einen bruhigenden mondenschimmer, nici

 Bellis meinte dazu am 22.08.05:
Du würdest eine acht Zentimeter große beißwütige (denn die beißen wirklich!) Spinne ZUPFEN?! Sag, daß Du das nicht tun würdest! Mich juckt´s bei diesem Gedanken überall!! Uuuuaaaah! Nee!!! ;o)
Solange Kreuzspinnen oder Zebraspinnen (machen ganz faszinierende Netze!) draußen sind und ich ihnen ausweichen kann, beobachte ich sie ja auch (und mache auch Fotos). Aber in der Wohnung oder im Briefkasten? Nee! Uuuaaah!
Ich danke Dir jedenfalls für den beruhigenden Mondenschimmer! :o) Der war wirklich klasse am Freitag!
LG, Bellis.

 mondenkind antwortete darauf am 22.08.05:
jaaaah, zebraspinnen! (heissen die wirklich so?) das sind die mit den ringelsocken an... ;) es sind sehr faszinierende geschöpfe... ich habe sie auch nicht unbedingt gern in der hand oder in meinen 4 wänden.. alleerdings habe ich auch 2 schnurrende, 4pfotige insektenvernichter, so dass ich ganz gelassen dem herbst entgegensehe... *g* im übrigen muss ich dir trotz meines neugewonnenen arachno-mutes rechtgeben... wolfs-spinnen sind die mit dem grössten gänsehaut-faktor... brr.. ;) dafür leg ich glatt noch nen mondenschimmr drauf! nici

 Bellis schrieb daraufhin am 22.08.05:
Zebraspinnen heißen wirklich so, wahrscheinlich wegen der gelb-schwarzen Ringelsocken. ;o) Ich hab mal eine fotografiert, die in ihrem Zick-Zack-Netz einen Marienkäfer eingesponnen hatte. Leider habe ich das Foto nicht hier... Meine beiden 4pfotigen Mitbewohner sind jedenfalls reine Vegetarier - leider. :o( Danke für noch mehr Mondschein! :o)

 Secretgardener (19.08.05)
Mein aufrichtigstes Beileid.
Ich mag meinen Briefkasten ja sowieso nicht und Briefe noch weniger und wenn ich dann soetwas erleben würde, buah. Es sollte auch 2 Briefkästen pro Person geben; einen für Werbung/ private Briefe und einen für Rechnungen.
Ich hatte hier im Fenstereck eine Spinne, die nachts immer rauskroch, so aus der Entfernung ging es ja, Montag habe ich ihr aber nach unten geholfen.
Aber diese sehr Großen sind wirklich ekelhaft.
Viele Grüße, Secret.

 Bellis äußerte darauf am 22.08.05:
Ja, genau! Spinnen sollte per Grundgesetz eine bestimmte Maximalgröße vorgeschrieben sein, das predige ich schon seit Jahren! Soll ich mir jetzt aber einen Briefkasten extra für Spinnen anschaffen? ;o)

 Bellis ergänzte dazu am 22.08.05:
PS: Dankeschön für Deine Empfehlung, Secret! :o)

 Secretgardener meinte dazu am 06.09.05:
Den Spinnenbriefkasten würdest Du ja nie aufmachen. Und nach einer Weile hättest Du einen Briefkasten der voll mit Spinnen ist...alleine der Gedanke, bäh...
mueller (39)
(19.08.05)
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 Secretgardener meinte dazu am 19.08.05:
Dem kann ich mir überhaupt nicht anschliessen.
Spinnen und Mücken, Fliegen...sind alles unnütze Tiere. Und nur, weil eine unnütze Art die andere jagt, macht sie das nicht nützlich. Ist alles Ungeziefer.
Trotzdem Grüße.

 Bellis meinte dazu am 22.08.05:
Siehe oben meinen Kommentar an mondenkind: Solange die Biester draußen sind, haben sie auch für mich (trotz Phobie) ihre Daseinsberechtigung. Ich habe ja nicht mal das Riesenexemplar getötet. Naja gut, mehr aus Angst, daß ich sie nicht richtig erwische und sie mir auf den Fuß... Uuuuuuuuaaaaaaaaaah!!!!!!!!!!
Trotzdem: Unnütz sind die meisten Insekten nicht, Secret. Magst Du Honig? Magst Du Blumen? Andere Pflanzen? Ißt Du gern Brot/Brötchen/Kuchen? Obst? All das gäb´s nicht ohne Insekten. Vögel gäb´s auch nicht, denn was sollten die essen? Und ohne Vögel kein Geflügel/keine Eier/keine anderen Tiere/keine Menschen...
Nicht jedes Tier in der Nahrungskette ist also unnütz - eigentlich sogar gar keins. (Predigt beendet. ;o))
Noch ein Buchtipp zum Thema, paßte auch zeitlich gut, denn ich las es ausgerechnet letzte Woche, uuaaaah!: Jeffrey Deaver - Der Insektensammler. LG, Bellis.
PS: Schön, daß Du´s nicht warst, Müllerchen. :o)
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