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Text zum Thema Warten

von  Merkur

Ja, es ist kalt. Allmählich kriecht die Kälte in meine Schuhe. Wieder gehe ich ein paar Schritte, um wieder ein paar Minuten totzuschlagen und Gefühl in meinen Füßen wiederzuerlangen. Wie spät es jetzt gerade sein mag ? Ich habe keine Uhr mit, sie ist kaputt. Schon seit Tagen. Es ist mir lästig, ständig das Telefon aufzuklappen, um dort die Uhrzeit abzulesen. Außerdem müßte ich dazu die Hand aus der Tasche nehmen. Aber es ist gut, nicht dauernd auf die Uhr sehen zu können, nur um dann festzustellen, daß die Zeit ja doch nicht schneller vergeht, nur weil man ihr dabei zusieht.

Ich schaue ins Licht der Laterne und atme kräftig aus. mein Blick folgt den höher steigenden Nebelschwaden, die sich schnell verflüchtigen. Viel zu schnell, als das man Figuren und Umrisse darin ausmachen könnte. Das Licht der Laterne flackert etwas und summt unrhythmisch vor sich hin. Ich schaue mich um, rings umher ist es dunkel bis auf vereinzelte Lichter in der Ferne. Löcher in der Wolkendecke geben den Blick auf ein paar Sterne frei.

Gedankenverloren beginne ich, mit dem Fuß Muster in Streugut zu zeichnen, das vom letzten Schneefall übriggeblieben ist. Ich spiele das Spiel mit den Kreisen und Kreuzen gegen mich selbst und verliere. Wie immer. Etwas von dem Streugut trete ich über die Kante und lausche dem Prasseln, mit dem es auf dem Laub aufschlägt.

Einige der Lichter kommen näher. Rechts und links von mir rauschen Züge vorbei. Die Hochspannungsleitungen sind vereist und verwandeln die Kontakte mit den Stromabnehmern in funkensprühende Irrlichter, die knisternd alles in ein kaltes bläuliches Licht tauchen. Ein Zug ist leer und unbeleuchtet auf dem Weg werweißwohin und ein Intercity, spärlich besetzt, in die Richtung, in die ich auch möchte. Eine Lok fährt gänzlich ohne Wagons in hohem Tempo vorbei.

Ja, Züge fahren hier, aber keiner hält an und nimmt mich mit.


Anmerkung von Merkur:

Ich hatte nicht mitbekommen, das die Deutsche Bahn in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember die Fahrpläne geändert hat und habe lange auf die S-Bahn nach Hause warten müssen. Das war sehr frustrierend, die Bahn gerade um ein paar Minuten verpaßt zu haben, nur weil seit gerade mal drei Stunden ein neuer Fahrplan galt. Den 27. Juni nächsten Jahres werde ich mir rot im Kalender anstreichen.

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Kommentare zu diesem Text

Leila (23)
(20.12.05)
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 Merkur meinte dazu am 20.12.05:
Hallo, Leila ! Bin beeindruckt, daß dich mein Text beeindruckt hat. Vielen Dank für deinen Kommentar. Sowas lese ich gerne War trotzdem eine blöde Situation Schöne Grüße an dich !
fairytale (22)
(14.05.06)
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 Merkur antwortete darauf am 14.05.06:
Danke für den Kommentar ! Wenn du es toll findest, finde ich das sehr schön und es freut mich ebenfalls. Sehr sogar. Herzliche Grüße an dich !
haifischmaedchen (24)
(12.11.06)
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