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Eine archivierte Kolumne von  Songline

Samstag, 03. März 2012, 10:05
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Organspende - Ich schenk Dir mein Herz

Es gibt ja Dinge, über die mag frau nicht nachdenken. Zum Beispiel übers Ableben. Wer kann ihr das verdenken? Selbst Mann schiebt ja jeden Gedanken an Gevatter Tod so lange beiseite, bis er im Sarg liegt und die Hinterbliebenen sich fragen, wo der Sparstrumpf versteckt ist, mit dem sie die Beerdigung bezahlten wollen. Demnächst ist das aber nicht mehr die alles entscheidende Frage. Demnächst ist zuerst einmal zu klären, wie viel vom Verblichenen überhaupt noch in den Sarg kommt.

Unsere Vorfahren hatten es da wesentlich einfacher. Früher, also so ganz früher, lange bevor Adenauer Kanzler war, wurde noch geboren, gelebt, gestorben und beerdigt. Asche zu Asche, Staub zu Staub. Das war der Lauf der Dinge, bis der Mensch die Medizin erfand. Danach wurde zwar immer noch gestorben, aber man hatte länger was vom Leben.

Nun hat der Mensch die bisweilen verhängnisvolle Angewohnheit, alles immer besser machen zu wollen. Darum hat er unter anderem die Transplantationsmedizin erfunden, also die Übertragung von Organen. Damit kann das Leben vieler Kranker verlängert werden. Oder besser gesagt: Könnte, denn es gibt viel mehr Menschen, die Spenderorgane brauchen, als solche, die posthum welche abgeben möchten.

Da es unmoralisch ist, auf die Organe zum Tode verurteilter chinesischer Häftlinge zurückzugreifen oder sich Nieren bettelarmer Inder zu besorgen, sollen mit der Organspende-Reform mehr Freiwillige in Deutschland gewonnen werden. Angeblich stehen nämlich 70% der Bevölkerung der Organspende durchaus positiv gegenüber, wobei nur 20% davon tatsächlich einen Organspenderausweis haben.

Darum gibt es künftig regelmäßig eine konzertierte Aktion, bei der jedem Bürger ein Brief ins Haus flattert. „Schenk mir dein Herz!“ steht darin, und wer uneingeschränkt „ja“ haucht, kommt als Leichtgewicht in den Sarg. Ein Mensch kann nämlich bis zu 8 Organteile spenden: zwei Lungenflügel, zwei Nieren, die Leber, das Herz, die Bauchspeicheldrüse und den Dünndarm, und das ganze Zeug wiegt so einiges.

Nun ist die Vorstellung, mit hohlem Bauch unter die Erde zu kommen, nicht jedem angenehm und manche lassen sich schon voller Panik „Keine Organspende!“ auf die Brust tätowieren. Die Entscheidung, was nach dem Tod mit dem eigenen Körper passieren soll, ist eine höchstpersönliche und da darf niemand reinreden. Wenn ihr mich fragt, sollte man jeden Bürger einmal fragen, ob er spenden möchte oder nicht. Zum Beispiel, wenn er sich krankenversichert. Wenn er danach seine Meinung ändert, kann er sich ja von sich aus melden. Die Befragung alle 2 Jahre zu wiederholen und die Bürger damit regelmäßig in einen moralischen Rechtfertigungszwang zu setzen, finde ich nicht gut. Aber mich fragt ja keiner.

Und so wird eine weitere Bürokratie aufgebaut. Deutschland wird amtlich geteilt in Spender und Nicht-Spender, in soziale und unsoziale, in leichte und schwere Leichen. Vielleicht werden den leichten, weil sie so sozial waren, die Beerdigungskosten erlassen. Dann braucht es wenigstens keinen Sparstrumpf mehr.

Bis bald mal,
Wanda

 FAZ

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (04.03.12)
"Damit kann das Leben vieler Kranker verlängert werden."

Liebe songline-Wanda,

der Text ist mir viel zu polemisch und das noch auf fast faschistoide Art. Nichts für ungut, aber im obengenannten Zitat aus dem Kolumnentext schimmert klar durch: Wer krank ist, soll gefälligst sterben, ist per se des Überlebens unwürdig. Dass Menschen mittels Organspende wieder mehr oder weniger gesund werden, scheint Dir ausgeschlossen zu sein. Ich finde die Hürden für Organspenden im Moment viel zu hoch: Selbst wenn man tot und mit Organspendeausweis auf'm Operationstisch liegt, kann jede plötzlich auftauchende, dann unangemessen hochemotionalisierte Verwandte die Spende verhindern. Und die fühlt sich auch noch gut dabei. Das möchte ich nicht.

 Songline (04.03.12)
Lieber Dieter,
dein Kommentar ist mindestens so polemisch, wie du es dem Text unterstellst. Nein, ich möchte nicht, dass man alle Kranken sterben lässt. Ja, songline hat einen Organspenderausweis.
Ich bin nur dagegen, dass man alle Bürger alle 2 Jahre anschreibt und fragt, ob sie nicht nun doch ihre Organe spenden möchten.
Das kommt nämlich penetranter Werbung gleich und nicht sachlicher Information, mit der man die Menschen eher zum Spenden bringen könnte.

 loslosch (04.03.12)
man hat drei möglichkeiten zu antworten: ja - nein - papierkorb.

 Songline (04.03.12)
Richtig, loslosch. Und für die Millionen von Briefen, die ihm Papierkorb landen, gibt es Beschäftigte, die die Dinger ausdrucken und verschicken, und Porto, das bezahlt werden muss.

 loslosch (04.03.12)
ich hätte ja auch ja - nein - enthaltung schreiben können.

 Dieter_Rotmund (05.03.12)
Songline, dann schreibe eben nicht
"Damit kann das Leben vieler Kranker verlängert werden."
..sondern
"Damit kann das Leben vieler Menschen verlängert werden."

q.e.d., ein weiteres Mal.

 Songline (05.03.12)
Dieter, das Leben von gesunden Menschen muss nicht durch Organspende verlängert werden, insofern ist "Kranker" der richtige Begriff.
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