Gegenschlag

Verstand vs. Irrsinn


Eine archivierte Kolumne von  Melodia

Dienstag, 30. Oktober 2012, 19:31
(bisher 1.256x aufgerufen)

Basta, Bunga Bunga

Inständig hoffe ich, dass er nun endgültig von der Bildfläche verschwunden ist. Doch so genau kann man sich bei Silvio „Bunga Bunga“ Berlusconi leider nicht sein. In der Vergangenheit kam er stets mit der Beharrlichkeit eines Herpesbläschens zurück und hinterließ mehrfach Narben. Insgesamt stand er, laut eigener Aussage, weit über 2000 Mal vor Gericht; nennt sich selbst den, von der Justiz, am meisten verfolgte Mensch der Geschichte. Nun hat er schlussendlich seine Strafe bekommen: Wegen Steuerhinterziehung und Schwarzgeldkonten vier Jahre Gefängnis, als Duschhilfe im Männertrakt.

Kurz darauf bereits erste Enttäuschungen: Die Strafe wurde auf Grund einer Amnestieregelung auf ein Jahr reduziert, wogegen seine Anwälte trotzdem Berufung einlegen werden. Was droht ist der erneute Freispruch. Denn bisher konnte er, dank eines Verjährungsgesetzes, stets den Kopf aus der Schlinge ziehen. Wer dieses Gesetz gemacht hat? Er selbst! Ist schon prima Präsident zu sein. Dazu kamen noch andere Gesetzesverabschiedungen, wie z.B. die Möglichkeit, einen Richter abzulehnen, wenn es ein Verdacht auf „Interessenskonflikt“ oder „Parteilichkeit“ gibt. Sein Immunitätsgesetz wurde zweimal Verboten. Insgesamt gab es 36 Gesetze ad personam. Seine Anwälte zögern die Verhandlungen, bei denen Berlusconi sehr selten selbst zugegen ist, einfach hinaus. So gewinnt man Woche um Woche. Richter sollen auch schon bestochen sein. Geduld ist eine Tugend, Geld eine Alternative. Und davon hat der Mann mehr als genug.

Sein Vater war Banker, er ist gelernter Jurist; verdiente sich während des Studiums als Staubsaugervertreter und Sänger auf Kreuzfahrten etwas dazu. Er war Mitglied der kriminellen Freimaurerloge „Propaganda Due“, ist Bauunternehmer. Des weiteren gehören ihm Versicherungen, Banken, Verlagshäuser und ein Großteil der italienischen Medienlandschaft. Als Ministerpräsident übte er, unerlaubt, Einfluss auf das staatliche Fernsehen aus. Nebenbei gründet er öfter Parteien, als andere Menschen Hemden wechseln und ist in Besitzer des Fußballvereins AC Milan. Kurzum, ein richtig sympathischer Mensch, ein Sammelsurium von Feindbildern, der sich stets als Opfer von Justiz und Schmutzkampagnen der Opposition sieht. Ein Schweinchen, das sich im eigenen Sud des Selbstmitleids suhlt.

Das dieser Mist irgendwann anfangen muss zu stinken, war nur eine Frage der Zeit. Im Ausland fragt man sich doch öfters, wie ein Mann, der mehr Skandale und Affären überlebt hat als ein CDU-Spendenkonto und Casanova (übrigens auch Italiener), ständig wiedergewählt werden konnte. Nun, das Italien seit dem Ende des 2.Weltkrieges mehr Präsidenten als Regionen hatte ist kein Geheimnis und politische Stabilität ist jenseits der Alpen leider ein Fremdwort. Seit Anfang der 90er Jahre geht der Posten ohnehin nur noch in Endlosschleife weiter: Amato, Ciampi, Berlusconi, Dini, Prodi, D’Alema, Amato, Berlusconi, Prodi, Berlusconi, Monti. Ich tippe auf den alten Ciampi als nächsten Kandidaten, wenn Monti nicht vorher alle Posten einnimmt, aber das ist ein anders Thema.

Das Berlusconi überhaupt in die Politik gegangen ist, verdanken wir, bzw. er, dem riesigen Korruptionsskandal „Tangentopoli“, bei dem die gesamte politischen Eliten von der Bildfläche verschwanden. Aus Angst um seine Investments und das „Kommunisten“ den Staat lenken würden gründete er 93 die Partei „Forza Italia“ und ging im folgenden Wahlkampf als Sieger hervor. Warum auch nicht: Er war neu in der Politik und somit, scheinbar, unbelastet. Darüber hinaus auch privat sehr erfolgreich, charismatisch und wusste sehr früh seine Medien wirksam zu nutzen. Er versprach dem Volk mit der Korruption aufzuräumen. So etwas nennt man wohl Ironie des Schicksals. Er wollte den Staat wie einen Betrieb leiten. Wem klingelt es bei dieser Aussage noch in den Ohren?

Seine erste Amtszeit dauerte nicht mal ein Jahr. Doch blieb er am Ball, wie man so schön sagt und konnte 2001 den Posten wieder einnehmen: Dank teurer Werbekampagne, inklusive 128seitiger Biographie an alle Haushalte, sowie Wahlversprechen von Steuererleichterungen, Halbierung der Arbeitslosenzahlen und Verminderung der Straftaten. Dabei kann es sich allerdings nicht um die eigenen gehandelt haben. Sein zweites Kabinett ist übrigens das langlebigste seit Gründung der Republik. Ganze vier Jahre. Da kann man schon mal ein Champagner aufmachen. Wen stört da schon die wirtschaftliche und infrastrukturelle Stagnation? Bei den anschließenden Neuwahlen bezichtigte er die Linke im Besitz der Medien zu sein, die das Volk gegen ich aufhetzten würde. Dreist ist gar kein Ausdruck, zumal wenn man bedenkt, dass ca. 80% aller Italiener das Fernsehen als Informationsquelle nutzen. Doch 25 Jahre grenzdebiles Privatfernsehen lobotomiert doch so manches Hirn.

Dennoch verlor er die Wahl, aber nur sehr knapp und im Parlament ging es danach teilweise zu wie bei der schlimmsten Stammtischschlägerei, inklusive Schlägereien und verschüttetem Alkohol. Am Ende musste die Regierungskoalition von neun Parteien klein beigeben: Nur der gemeinsamen Feind hatte sie beisammen gehalten. Tragbar war Berlusconi auch in seiner vierten Amtszeit nicht, doch die neu formierte Partei hielt zusammen, nicht zuletzt, weil viele ihren Posten erst durch ihn bekommen hatten; er Überläufern gute Ministerposten gab und es de facto bis heute keine starke Opposition gibt. Selbst das Erdbeben von L’Aquila 2009 wusste er auszunutzen, noch besser als es Schröder bei der „Jahrhundertflut“ vermochte. Er verlegte sogar den G8-Gipfel in das Krisengebiet; war vor Ort, half und tröstete. Doch war es nur ein weiteres Event, das er ausnutzen konnte. Und das sogar mehrfach.

Es wurden schnell einige Neubauten für die betroffenen Menschen errichtet, als Übergangswohnungen. Der Wiederaufbau sollte schnell von statten gehen. Doch kaum war das Interesse verflogen, verschwanden sowohl Präsident als auch der Zivilschutz. Die Altstadt sieht mancherorts noch immer aus wie ein Schlachtfeld und das obwohl die Einwohner selbst anpackten: Die Baufirmen stritten sich um den Auftrag. Man befürchtet, dass es wie bereits zuvor wieder nur billige von der Mafia errichteten Gebäude werden. Vor allem deshalb verloren viele Menschen das Leben. Die Schuldigen wurden jedoch nie verfolgt. Der Zivilschutz war selbst in den Korruptionsverdacht gekommen und Berlusconi hatte bereits etwas Besseres zu tun. Er riet den Leuten die Situation wie ein Campingwochenende zu nehmen. Ernsthaft!

Dasselbe geschah mit den Müllbergen in Neapel. Berlusconi versprach persönlich sich der Angelegenheit anzunehmen. In der Tat war der Unrat innerhalb kürzester Zeit verschwunden, aber wohin? Es wurden „Unternehmen“ beauftragt, riesige neue Müllhalden auszuheben in denen alles verschwand, inklusive Sonder- und Giftmüll, deren Spezifikation einfach per Dekret geändert wurde. Bis heute lagert es dort und wartet darauf korrekt entsorgt zu werden. Aber der „Cavaliere“ stilisierte sich zum Retter der Stadt. Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit standen nicht an der Tagesordnung. Doch der Mann behauptet von sich die Sprache des Volkes zu sprechen, natürlich vorausgesetzt, man hat drei Promille intus und so viel Gehirn, wie ein Spatz Fleisch auf der Kniescheibe. Einige Beispiele gefällig?

- „Ich soll euch alle grüßen von, na wie heißt er, der gut gebräunte… Obama!
- Er verglich die Flüchtlingslager auf Lampedusa mit KZs
- „Es ist richtig, dass alle vor dem Gesetz gleich sind, aber ich bin gleicher, weil mich die Mehrheit des Volks gewählt hat.“
- Meinte zum deutschen EU-Abgeordneten Schulz, er wolle ihn für die Rolle des KZ-Chefs eines neuen Films vorschlagen, für die er perfekt wäre.
- „Ich schaue schon mal einer hübschen Frau nach. Das ist immer noch besser als schwul zu sein.“
- Behauptete Mussolini (mit dem er meiner Meinung nach nicht nur politische Ähnlichkeiten hat) habe keinen Menschen umgebracht.
- Veröffentlichte private Nacktfotos seiner Ex-Frau, um ihre Aussagen gegen ihn ins lächerliche zu ziehen.

Das ist nur die Spitze des Eisberges. Dass er sich nebenbei ständig mit jungen Frauen und Showgirls präsentiert dient auch nicht zwingend seinem Bild. Von den Paparazzi-Bildern seiner Villa inklusive nackten Mädchen und ebenso entblößtem ehemals tschechischen Premierminister und seinen Affären mit Minderjährigen mal abgesehen. Auf einem Jugendparteitreffen lud er scherzhaft einige Damen zu einer „Bunga Bunga“ – Party ein. Das zu seinem Freundeskreis Bush, Putin, Blair sowie der verstorbene Gaddafi gehören, steigert auch nicht unbedingt seien Sympathie. Ich persönlich siedle sie irgendwo zwischen Darmkrebs und Ebola an.

Woher seine Startkapital kam ist mittlerweile ziemlich sicher: Von der Mafia, die mit geschätzten 70 Mrd. Euro Umsatz im Jahr immerhin das erfolgreichste italienische Unternehmen ist. Das Land ist auf Korruption erbaut worden. Anfangs auch mit Hilfe der CIA, damit die Kommunisten nicht an die Macht kamen. Eine Verbesserung ist leider auch nach dem vermeintlichen Ausscheiden Berlusconis nicht in Sicht. Er wird im Gefängnis sitzen und dennoch unglaublich Reich sein, während es in Italien für manche um die Existenz geht. Ein Neuanfang wäre dringend nötig.

Berlusconi ist in die Politik gegangen, um seine Firmen zu retten. Die Italiener sollten sich für Politik interessieren, um das Land zu retten.

Denn wer nichts weiß, der glaubt alles. Zeit die Fernbedienung beiseite zu legen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Matthias_B (31.10.12)
"[Er m]einte zum deutschen EU-Abgeordneten Schulz, er wolle ihn für die Rolle des KZ-Chefs eines neuen Films vorschlagen, für die er perfekt wäre."

Da liegt wohl eine Anspielung auf Schultz ("Ein Käfig voller Helden") vor. Immerhin ist er auf demokratischerem Wege als der jetzige Ministerpräsident an die Macht gekommen.

 Melodia (31.10.12)
@matthias_b: das habe ich auch schon gelesen; was zumindest namenstechnisch sinn ergibt. aber ähnlichkeiten gibt es darüber hinaus keine.
demokratischer schon (vermutlich), aber bei soviel macht und einfluss, das in europa seines gleichen sucht... da wäre selbst ich präsident geworden!^^

lg und danke


@jack: naja, als was man ihm alssen muss, ist, dass er vieles einfach mit humor überspielt oder ins lächerliche zieht. das er dabei aber oft über das ziel hinaus geschossen ist. privat darf er von mir nackt hinter schimpansen hecheln; das ist mir egal. aber wenn er in der öffentlichkeit noch anfängt mit seinen frauen geschickten zu prahlen; seine energie auf partys verheizt, statt im parlament. seine poltik war krausig! da entsteht einfach ein gesamtbild. eer lebte frei nach dem motto, ich kann machen was ich will, weil mir nicht passieren kann und das volk ist auf meiner seite. ma va bush war auch nur marionette seiner minister und berater. ich hege ohnehin die vermutung, dass jeder spitzenpolitiker einen "boss" hat; und wenn es eine ganze lobby ist. auf dem mond ja... kann man ja beweisen.

lg und danke!

 Melodia (01.11.12)
mal wieder vielen dank ob des vielen lobes!

freut mich, dass dir der text (inklusive stil) zugesagt hat^^

lg
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram