An(ge)dacht
Anspruch und Zuspruch für die Woche
Eine archivierte Kolumne von SimpleSteffi
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Ausgeopfert!
Womit soll ich vor den Herrn treten, / wie mich beugen vor dem Gott in der Höhe? Soll ich mit Brandopfern vor ihn treten, / mit einjährigen Kälbern?
Hat der Herr Gefallen an Tausenden von Widdern, / an zehntausend Bächen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen hingeben für meine Vergehen, / die Frucht meines Leibes für meine Sünde?
Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist / und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, / Güte und Treue lieben, / in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott. (Micha 6, 6-8)[/i]
Dies ist der Predigttext für den heutigen Sonntag; der Text, der uns in dieser Woche begleiten soll.
Der Prophet Micha macht es sich hier auf den ersten Blick ziemlich einfach. Er karikiert die damals üblichen Prozesse des „Gottesdienstes“, ich als Leser musste im Stillen über die Vorstellung eines triefenden, öligen Gottes inmitten tausender blutender Opfertiere schmunzeln. Aber gleich der nächste Vers zeigt den Ernst der Lage und führt uns den Wahnsinn der Opferpraxis vor Augen. Denn wer würde auch nur eine Sekunde ernsthaft die Tötung seines eigenen Kindes anbieten? Tatsächlich war es so üblich im Jahre 700 vor Christus.
Tatsächlich ist es heute noch gängige Praxis. Wir brauchen nur die Zeitungen aufzuschlagen: Wie oft lesen wir von Selbstmordanschlägen und -attentaten; wie häufig kommt es zu sog. Ehrenmorden? Das Bundeskriminalamt konnte zwischen 1996 und 2005 insgesamt 55 „Ehrenmorde“ in der BRD aufklären, die Dunkelziffer liegt nach Schätzungen wesentlich höher.
Opfer haben für unsere Psyche eine wichtige Funktion: Wir geben sie, vollziehen sie, um unsere begangenen Fehler auszulöschen. Um uns von Sünden frei zu kaufen. Um zu büßen. Dass der Großteil von uns modernen Menschen dafür nicht mehr in Sack und Asche auf den Knien zur Kirche rutscht ist verständlich. Eine Spende für den guten Zweck; vielleicht noch zehn Ave Maria und fünf Vater Unser machen das Opfern leicht. Vielleicht zu leicht, gemessen an ihrer Funktion. Der Pädagogin in mir fallen bessere Maßnahmen ein.
Vor allem bewegt mich aber die Frage: Wie oft opfern wir auch völlig ohne den Gottesgedanken? Ohne zu sühnen, oder aber gar mit dem Hintergedanken, andere sühnen zu lassen. Opfern den Kollegen zugunsten unseres eigenen Erfolges, nutzen ihn aus? Wie oft opfern wir erst unsere Zeit „wichtigeren Dingen“ um uns anschließend bei den Menschen, mit denen wir diese Zeit besser verbracht hätten „freizukaufen“, quasi ein neues Opfer zu begehen? Eines der größten westlichen Opferfeste der Neuzeit steht seit Ende August in den Supermarktstartlöchern: Weihnachten.
Dabei ist es so simpel, wir müssen nur zu Ende lesen bei Micha:„Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist / und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, / Güte und Treue lieben, / in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.“
Simpel. Nun ja. Eine ungeheure Herausforderung für uns moderne Menschen. Wir müssen uns damit abfinden, dass das Leben nicht käuflich ist, sondern ein Geschenk. Wir müssen akzeptieren, dass wir nicht alles selbst und vollständig in der Hand haben, sondern diese Verantwortung zumindest zu teilen bereit sein. Wir müssen anderen Menschen zeigen, dass wir sie lieben – durch mehr als übergroßzügige „Geschenke“. Ohne Hintergedanken und Rechnerei und Gegenrechnerei im Kopf einfach Gutes tun und Gutes denken. (Gerade im Hinblick auf Weihnachten: Ich muss nicht die Geschenke des Vorjahres aufwiegen und möglichst steigern. Aber Gedanken machen darf ich mir, Liebe ausdrücken. Vielleicht gleich heute einfach mal die Patentante anrufen? Einen Brief an die alte Schulfreundin schreiben - anlassfrei?) Treue heißt, dass ich zu meinen eigenen Entscheidungen stehe. Also zu Taten, Freundschaften, Aussprüchen und gerade auch, dass ich zu meinem Gott stehe, so wie er zu mir steht.
Ehrfurcht – ein vielleicht beängstigendes Wort, doch meint es nichts anderes, als zu akzeptieren, dass die Allmacht nicht in meiner, sondern in Gottes Hand liegt, ich dies erkenne und ihm daher die Ehre erweise, ihn lobe, anbete …. Ihn in mein Leben integriere, nicht mein Leben ihm völlig unterordne.
Wie es hier gefordert ist: „den Weg gehen mit deinem Gott.“
Wir sind zur Freiheit berufen und machen uns selbst immer wieder unfrei. Wir sollen keine Opfer bringen, schon gar keine irrationalen. Wir sollen ein bewusstes und selbstbewusstes Leben führen.
Wer ist ein Gott wie du, / der du Schuld verzeihst und dem Rest deines Erbvolkes / das Unrecht vergibst? Gott hält nicht für immer fest an seinem Zorn; / denn er liebt es, gnädig zu sein. Er wird wieder Erbarmen haben mit uns / und unsere Schuld zertreten. Ja, du wirfst all unsere Sünden / in die Tiefe des Meeres hinab. (Micha 7, 18f.)
So endet das Buch Micha, mit dem Heilsversprechen an uns, wenn wir uns von dem vielen Unsinn wirklich befreien können.
Abschließend noch ein kleiner Denkanstoss: Buße kommt nicht von "Abbüßen", sondern von „besser machen“.
In diesem Sinne: Euch allen eine gesegnete Woche!