Dienstags bei Inge

Ansichten übers Leben und Sterben und den Rest dazwischen


Eine archivierte Kolumne von  IngeWrobel

Dienstag, 17. November 2009, 01:05
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Entscheidungen

In unserem Leben müssen wir ständig Entscheidungen treffen. Manche sind existenziell wichtig, andere eher nicht.
War ich früher in einer Sache unentschlossen, eine Entscheidung musste aber getroffen werden, handelte ich nach der Überlegung, welche Entscheidung mir den größten Spielraum gewährte, und entschied mich gegen die Lösung, die mich mehr festgelegt, gebunden hätte.

Vor etwa drei Jahrzehnten hörte ich Nina Hagen in der Stuttgarter Liederhalle singen: „ ... ick kann mich gar nich entscheiden, is alles so schön bunt ...“.
Nina, die nach meiner Erinnerung damals zum ersten Mal mit ihrer Band in der BRD auftrat, kreischte diesen Teil ihres „TV-Glotzer“ ins Publikum, strampelte dazu in schwarzem Gymnastik-Outfit herum, und begeisterte mich total mit ihrer 4-Oktaven-Stimme. Nicht so meine Nachbarn. Sie waren offensichtlich gekommen, ohne jemals vorher Nina Hagen gehört zu haben. Im Westen hatte man vielleicht von Eva-Maria Hagen, Ninas Mutter, gehört – und von ihr wohl weniger als Theaterschauspielerin, denn als Lebensgefährtin von Wolf Biermann, der für Nina „Ersatzvater“ war.
Die Nachbarn, er im Anzug, sie mit Pelzstola, verließen nach dem zweiten Stück fluchtartig die ehrwürdige Liederhalle. Über Geschmack sollte man nicht streiten. Diese Leute trafen die Entscheidung, zu gehen – ich entschied mich fürs Bleiben. (Tipp für junge Musik-Fans: „Oma“ Nina steckt zehn „Lady Gaga“s locker in die Tasche – akustisch und optisch.)

Vor einigen Tagen berichtete mir eine Freundin, dass sie sich nach zwei Jahren Liebesbeziehung von ihrem Freund getrennt habe. Er konnte sich nicht dazu durchringen, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, um das Verhältnis mit der Geliebten zu legalisieren. Somit lag es bei ihr, eine Entscheidung zu treffen. Das Ergebnis ihrer Überlegungen war die Trennung. Nach meinem Gefühl traf meine Freundin die richtige Entscheidung. Es war eine rational gedankliche Bearbeitung einer Situation, die überwiegend Gefühlssache ist. Hätte sie beim Kennenlernen ihren Verstand eingesetzt, wäre sie erst gar nicht eine Beziehung mit einem verheirateten Mann eingegangen. Aber die meisten von uns wissen, dass eine entsprechende Hormonausschüttung schon immer rationale Überlegungen überrumpeln konnte, und die freigesetzten Gefühle alle Vernunft „über Bord zu spülen“ vermögen.

Werden wir durch Krisen zu Entscheidungen gezwungen, ist auch das ein kreativer Vorgang.
Als sich Mitte Oktober einige Mitglieder der Autorengruppe, der ich mich angeschlossen hatte, zurückzogen, um unter dem bisherigen Namen eine kleine „Untergruppe“ zu bilden, sahen sich die anderen gezwungen, sich neu zu firmieren. Die anfängliche Verwirrung ließ dennoch die Möglichkeiten, die sich uns nun boten, als Chance erkennen.
Wir haben die Gunst der Stunde genutzt, und sind wie ein „Phoenix aus der Asche“ zu einer neuen Gruppen-Identität gelangt. Seitdem gibt es das autorenforum phoenix. Anders als bisher gibt es nun einen „offenen Stammtisch". Offen für neue Mitglieder und Ideen – und hoffentlich bald Anziehungspunkt für Autoren und Leser aus Pforzheim und Umgebung.
Manchmal führen erzwungene Entscheidungen zu den interessantesten Ergebnissen.

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