KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Samstag, 21. August 2021, 20:23
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Falsch und richtig

783. Kolumne

Bonn, 12.6.
Lieber Herr Jo,
Sie schreiben mir, Sie verurteilen mich zum Leben. Ja, heißt das denn, Sie leben, Pirandello lebt, alle leben – nur ich nicht? Bitte bedenken Sie jetzt auch mal mein Alter. Lohnt es sich für mich überhaupt noch? Und sind Sie denn so sicher, dass Sie leben, während ich tot bin? Nennen Sie mir Ihre Kriterien! – Ich denke jeden Tag darüber nach, was ich falsch mache. Ich habe schon Angst, nachts zu schlafen, weil ich dann bestimmt doppelt tot bin. – Egal was ich mache, es ist falsch. Ich habe den heftigen Verdacht, dass das angeblich richtige Leben auch nicht besser ist.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Vaga (24.09.21)
Meine Gedankenlawine - schnell hingeschrieben - nach dem Lesen des von dir oben Geschriebenen (deshalb sorry, weil evtl. ein wenig w/irrig):

Viele glauben ja fest daran, dass der Tod auch nur 'angeblich' ist, nur äußerlich, demzufolge das Innere (Prinzip) dann nach dem 'Abschnitt vom Leben' augenblicklich sehen wird, wohin es gehört.
Fragen:
Findet es sich im Dort, das es erwartet, zurecht? Oder irrt es im Irgendwo herum?
Oben, über allem schwebend?
Unten, in einer Art Schattenreich?
Teilen sich alle das gleiche 'Unirdische' oder wird auch dort fein sortiert je nachdem an-wen-oder-was-man-geglaubt-hat-oder-nicht?
Oder wäre logischerweise das "Alle-in-einen-Topf"-Prinzip erwartbar?
Und wo trifft man die ganze 'Gesellschaft' wieder, in deren Mitte man sich - noch auf Erden weilend - bereits nicht sonderlich wohlgefühlt oder die man sogar gemieden hat?
Sind die Nichtmehrlebenden möglicherweise gar dazu verurteilt, sich u.a. in einem irdischen 'Materiell' (eine Art Caféhaus wäre durchaus denkbar), die ewige Zeit zu vertreiben?
Völlig unsichtbar für die ins Körperliche gehüllten Nochlebenden?

Wie gut, dass wir alle es nicht wissen bzw. wie unlogisch, dass einige denken, ihre Innerlichkeit habe selbst nach ihrem Ableben einen Sonderstatus verdient.

Warum die Angst vor dem doppeltoten Sein (in deinem Text war das der Anstoß meiner Gedankenlawine)? Das wäre m. E. tot vom Leben und tot vom in alle Ewigkeit zum Herumgeistern verurteilten Tod. Was doch eigentlich bedeutet: Frei vom Leben, frei vom Tod in einem (endlich von allen Ängsten freien) "Nicht-Zustand" zu sein!

Während des körperlich-geistigen Gesamt-Seins auf das Leben konzentriert zu sein und nicht auf den unweigerlich (uns alle) erwartbaren Tod hinzuzuleben, scheint mir eine erstrebenswerte (Ver)Antwort zu sein auf die 'Angstfrage vor dem Tod' bzw. vor dem (und wenn wir den "Schlaf" einbeziehen, doppelten) Totsein.

Herzl. Gruß dir - und verzeih' mein 'Konfusium' .

 Bergmann meinte dazu am 24.09.21:
In meinen Pirandello-Texten spiele ich mit dem Tod. Solange ich damit spielen kann, bin ich noch nicht tot.
In diesem Text geht es allerdings eher um die Frage (des ethisch und seelisch) richtigen Lebens als um den physischen Tod - so dachte ich.
Was deine Frage betrifft, so hoffe ich auch, dass ich mich im Tod vollkommen auflöse, dass dann mein Ich sich 'verwandelt' in Myriaden von Atomen meines Körpers, der einer anderen materiellen Ordnung unterworfen wird. An ein immaterielles Ich kann ich nicht glauben.
Mein Sterben wird mir vielleicht bewusst sein, mein Tod nicht. So gesehen werde ich von Schmerz und Leid befreit sein. Es ist die Hoffnung Dantons in Büchners Stück "Dantons Tod". Zwar ist das, was nach unserem Sterben ist, transzendent, also uneinsehbar.
Naturwissenschaftlich betrachtet spricht alles dafür, dass ich weg bin, wenn ich tot bin.
Encore: Meine Pirandellos sind ein Spiel, allerhöchstens eine Vorstufe des Philosophierens, wie deine Reaktion ja auch zeigt. Ernst nehmen kann ich mich als Spielenden nicht nehmen, und ich muss es auch nicht, das ist das Schöne daran. Das Schöne liegt diesseits oder jenseits der Ethik.
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