Göttermann, Lilo (Hg.):

Denkanstöße 2010

Ein Lesebuch aus Philosophie, Kultur und Wissenschaft


Eine Rezension von  JoBo72
veröffentlicht am 29.08.09

Wissen für alle. Zur neuen Ausgabe der „Denkanstöße“

Alljährlich erscheint bei Piper eine Sammlung von Essays zu aktuellen Fragen unter dem Titel „Denkanstöße“. Die Sache hat Tradition: Die ersten „Denkanstöße“ erschienen vor einem Vierteljahrhundert. Die Texte stammen von renommierten Autoren und sind anderen Piper-Büchern entnommen, die jüngst neu erschienen sind. Damit macht es sich der Verlag zur Aufgabe, eine breite Leserschaft allgemeinverständlich über wissenschaftliche, politische und kulturelle Neuerungen zu informieren. Er trägt damit zur Popularisierung von Bildungsinhalten bei. Das ist ein gutes Ansinnen, das dem Bildungsideal der Aufklärung entspricht. Schon Christian Wolff hatte Wert darauf gelegt, dass die philosophischen Gedanken seiner Zeit möglichst vielen Menschen zur Verfügung stehen. Nun übernimmt diese Aufklärungsarbeit der Piper-Verlag.

Die aktuelle Version („Denkanstöße 2010“) ist im August erschienen. Sie enthält vier Kapitel zu „Erkenntnissen aus der Naturwissenschaft“, „Erfahrungen aus der Geschichte“, „Thesen aus dem politischen Geschehen“ und „Ausblicken aus Philosophie, Religion und Psychologie“. Bekannte Persönlichkeiten wie der Ex-Politiker Friedrich Merz, der Theologe Hans Küng und der Journalist Ulrich Wickert äußern sich darin zu Gerechtigkeit, Menschenwürde und den Tugenden. Es geht um Darwins Evolutionstheorie, Keplers Planetengesetze und die Stammzellforschung. Es wird der „Weg des Islamismus vom 11. September bis in unsere Vorstädte“ nachgezeichnet und die Fragen erörtert, wie wir als Menschen zu Entscheidungen gelangen und was es mit unserem Geruchssinn auf sich hat. Das volle Programm. „Kollege Bildungsbürger“ wird in der Essaysammlung einen Fundus an Themen vorfinden, über die er auf der nächsten Party referieren kann. Und alle werden ihm zuhören.

Damit sind wir bei den Schwächen der „Denkanstöße“: Es besteht zum einen bei populärwissenschaftlichen Darstellungen immer die Gefahr, zu einem Halbwissen geführt zu werden, das – mit voller Urteilskraft gepaart, schließlich fühlt man sich bestens informiert – zu unhaltbaren und unerträglichen Folgerungen führt. Deshalb müssen die Beiträge dieser edukativen Anthologie als das gelesen werden, was sie sind: Erstinformationen, Betrachtungen von höchst partikularen Standpunkten, Sandkörner in der Wüste des Wissens. Nur dann kann daraus das fruchtbarste überhaupt erwachsen: ein Interesse für die Sache, das tiefer schürfen lässt. Zum anderen haben viele der Beiträge den Charakter von Einführungskapiteln. Sie wurden den Büchern zum jeweiligen Thema entnommen, versprechen eine Vertiefung, die zwar in der Quelle, nicht aber hier vollzogen wird. Das ist einerseits ganz im Sinne der vorgeschlagenen Lesart, andererseits vermittelt es das unangenehme Gefühl, mit diesem Sampler doch nur Werbematerial für das laufende Verlagsprogramm in Händen zu halten. Insoweit sollte man sich überlegen, den Band zukünftig als kostenlose Leseprobe zu verteilen. Das würde den Popularisierungseffekt nur steigern – und den Umsatz des Piper-Verlags wohl auch.
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Kommentare zu dieser Rezension


 Dieter_Rotmund (11.09.09)
"Und das Wort, das er am meisten und tiefsten haßte, war das Wort Denkanstöße" (des Großvater des Protagonisten in: Thomas Bernhard Beton, 1988)

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