Gustafsson, Lars:
Frau Sorgedahls schöne weiße Arme
Roman, aus dem Schwedischen von Verena Reichel
Eine Rezension von Quoth
Ist es Eitelkeit oder die Sehnsucht nach einem besonders würdevollen Lebensabschluss, die Lars Gustafsson, den angesehenen schwedischen Autor, veranlasste, sich, als er wieder in Schweden lebte, in die Identität eines in Oxford lebenden Fellows am Magdalen College zu hüllen? Er hat u.a. auch in Oxford studiert, kennt sich da aus, aber Professor war er zwei Jahrzehnte lang an der Universität von Austin, Texas (wie der fabelhafte Peter Rühmkorf zehn Jahre vorher). Kurz zuvor ist er zum jüdischen Glauben übergetreten – aus Respekt vor Martin Buber, aber auch ein bisschen, weil er in zweiter Ehe eine Jüdin geheiratet hat. Und dieses Wechselspiel zwischen Sinnsuche im Glauben, in Philosophie, Natur und Naturwissenschaft, und der Hingerissenheit durch das Weibliche bestimmt die Grundstruktur dieses ungewöhnlichen Liebesromans. Und wie ein Brahmskonzert die Erfüllung der Liebe zu Frau Sorgedahl vorbereitet, ist es das Choralvorspiel zu Michael Praetorius‘ Hymne „Komm heiliger Geist mit Deinem Trost“ auf der von einem unbekannten Mädchen aus Mecklenburg reparierten Orgel, die dem von ketzerischen Gedanken heimgesuchten Propst Tim von Haraker die Rückkehr in den Glauben erlaubt. Die Musik als Klammer und als Ausweg aus (enttäuschter) Liebe und (vergeblicher) Sinnsuche – überzeugt das?
Gustafsson ist in dem für ihn typischen scheinbar absichtslosen Plauderton eine Liebesgeschichte gelungen, die die Liebe nicht isoliert betrachtet, sondern sie einbettet in Natur, Philosophie, Luther- und Sektierertum – für mich einer der schönsten Liebesromane, in dem der (fiktive) weißhaarig Fellow sich erinnert: Sie „setzte sich neben mich, nahm meine Hand und platzierte sie ruhig und entschlossen auf ihrem Venushügel, auf dem leicht erhabenen Dreieck, wo alle Kräfte des Universums sich begegnen und wo alles beginnt und endet. Sie tat das ganz ruhig und sehr entschlossen … Was erwartete sie, dass meine Hand dort anfangen sollte? Sicherheitshalber beschloss ich, sie einstweilen nur da liegen zu lassen, wo sie lag, in der Welle von Wärme, die ihr jetzt entgegenstieg und drohte, sie in Asche zu verwandeln, wenn sie nur noch eine Minute länger dort liegen bleiben würde.“ Aber expliziter wird es eben auch nicht, und deshalb führt amazon das Buch auch erst an Stelle 60.826 im Bereich Erotik, obgleich es an die zehnte (mindestens!) gehört hätte!
Schön ist der Anfang, in dem der Erzähler begeistert feststellt, dass er nie existiert hat. Und damit hat er ja Recht! Den von Lars Gustafsson fingierten Fellow am Magdalen College in Oxford, der in der Ichform erzählt, hat es ja nie gegeben! Ein Paradox wie das vom Kreter, der sagt: Alle Kreter sind Lügner … Schön auch die Betrachtungen zur mehrfach in sich gefalteten Zeit … Schön und lesenswert die Betrachtungen zur fragwürdigen Textgeschichte der biblischen Schriften, die stark an die Satanischen Verse von Salman Rushdie erinnert … Schön auch die Betrachtung, dass der Polytheismus den Teufel überflüssig mache … Dies Buch ist kein Pageturner – aber es deckt eine reiche Tafel, von der ich gut gesättigt aufstehe.
Gustafsson ist in dem für ihn typischen scheinbar absichtslosen Plauderton eine Liebesgeschichte gelungen, die die Liebe nicht isoliert betrachtet, sondern sie einbettet in Natur, Philosophie, Luther- und Sektierertum – für mich einer der schönsten Liebesromane, in dem der (fiktive) weißhaarig Fellow sich erinnert: Sie „setzte sich neben mich, nahm meine Hand und platzierte sie ruhig und entschlossen auf ihrem Venushügel, auf dem leicht erhabenen Dreieck, wo alle Kräfte des Universums sich begegnen und wo alles beginnt und endet. Sie tat das ganz ruhig und sehr entschlossen … Was erwartete sie, dass meine Hand dort anfangen sollte? Sicherheitshalber beschloss ich, sie einstweilen nur da liegen zu lassen, wo sie lag, in der Welle von Wärme, die ihr jetzt entgegenstieg und drohte, sie in Asche zu verwandeln, wenn sie nur noch eine Minute länger dort liegen bleiben würde.“ Aber expliziter wird es eben auch nicht, und deshalb führt amazon das Buch auch erst an Stelle 60.826 im Bereich Erotik, obgleich es an die zehnte (mindestens!) gehört hätte!
Schön ist der Anfang, in dem der Erzähler begeistert feststellt, dass er nie existiert hat. Und damit hat er ja Recht! Den von Lars Gustafsson fingierten Fellow am Magdalen College in Oxford, der in der Ichform erzählt, hat es ja nie gegeben! Ein Paradox wie das vom Kreter, der sagt: Alle Kreter sind Lügner … Schön auch die Betrachtungen zur mehrfach in sich gefalteten Zeit … Schön und lesenswert die Betrachtungen zur fragwürdigen Textgeschichte der biblischen Schriften, die stark an die Satanischen Verse von Salman Rushdie erinnert … Schön auch die Betrachtung, dass der Polytheismus den Teufel überflüssig mache … Dies Buch ist kein Pageturner – aber es deckt eine reiche Tafel, von der ich gut gesättigt aufstehe.
Kommentare zu dieser Rezension
Ich habe das Buch vor Jahren gelesen und fand es sehr sehr schön. Vielleicht lese ich es nochmals.
On revient toujours/À ses premiers amours - So könnte man die Story auch zusammenfassen - aber es ist so viel mehr darin und alles gehört dazu, das habe ich auch erst beim Wiederlesen entdeckt. Gustafsson war schon ein Könner - und Verena Reichel eine tolle Übersetzerin. Wobei das Schwedische auch seinen Reiz haben muss: Fru Sorgedahls vackra vita armar ...
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