Film & Fußball
Eine cineastische Mannschafts-Kolumne
Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"
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Vom Schuhe kaufen und Kinder erziehen
von Dieter_Rotmund
Gastkolumne von millefiori
Bei manchen Leuten habe ich das Gefühl, sie bekommen nur Kinder, weil es halt dazu gehört. Verliebt, verlobt, verheiratet - Kinder - Hund, oder erst Hund und dann Kinder.
Ich bin Schuhverkäuferin in der Kinderschuhabteilung, ein Beruf, den ich sehr gerne ausübe, da ich Kinder liebe.
Immer wieder höre ich von Eltern, kaum dass wir ein paar Begrüßungsworte gesprochen haben: "Schuhe kaufen mit Kindern ist das Schlimmste, was es gibt! Mein Kind macht jedes Mal einen Riesenaufstand und will keine Schuhe probieren oder Füße messen lassen..."
Ein Kardinalfehler, den viele Eltern machen. Sie bedenken nicht, das Kinder alles hören und aufnehmen, was sie sagen.
Noch bevor sich die schlechte Stimmung der Eltern auf das Kind überträgt, schalte ich mich dazwischen und setze mich erstmal direkt auf den Boden, so dass ich auf Augenhöhe mit dem Kind bin. Ich begrüße es mit einem echten Lächeln, denn Kinder können genau unterscheiden, ob man wirklich lacht oder nur ein Lächeln aufsetzt. Entweder echt lächeln, oder lasst es lieber.
Ich sage zu ihm: “Hast Du gehört, was die Mama da sagt? Sie meint Schuhe kaufen wäre schlimm! Dabei stimmt das doch gar nicht. Meinst Du denn, dass Deine Füße schon ein Stück gewachsen sind, ohne dass es die Mama gemerkt hat?”
Meistens ernte ich so ein verschmitztes Lächeln und einen neugierigen Blick aus großen Kulleraugen. Ich frage das Kind ob wir mal nachsehen wollen und hole das Fußmessgerät. Wenn ich Glück habe, funkt mir nicht der Vater mit dem überaus witzigen, immer gerne genommenen Satz“So jetzt werden die Füße zugeschnitten!” dazwischen. Oder die Oma mit: “Wenn Du nicht brav bist, schimpft die Verkäuferin.”
Beides sehr hilfreich, wenn man versucht einem Kind die Angst vor dem Messgerät zu nehmen.
Haben wir das Messen erfolgreich geschafft, erkläre ich dem Kind begeistert, dass die Füße wohl, ganz heimlich, wirklich ein Stück gewachsen sind und die Zehchen jetzt Platz brauchen um wackeln zu können. Meistens schlage ich vor, das Kind auf die heissgeliebte Rutsche zu lassen, während ich mit den Eltern, Vater, Mutter oder Oma, die Vorauswahl treffe.
Denn nicht nur die Länge, sondern auch die Weite ist wichtig. Ist nämlich ein Schuh zu weit, rutscht der Fuß ans Ende des Schuhes und die Zehen haben genauso wenig Platz, wie bei einem Schuh, der zu klein ist. Außerdem knickt der Knöchel mit der Zeit nach innen. Fachausdruck: Knickfuß.
Jetzt beginnt der eigentliche Kampf.
Es gibt verschiedene Kauftypen:
Der "Meine-Tochter-ist-anders-als-alle-anderen-Töchter”-Typ. Dieser Mann hasst wie die meisten Männer Rosa und Glitzer. Er möchte für seine Tochter neutrale braune oder blaue Schuhe und redet sie dem Kind förmilch ein.
"Stimmts? Du brauchst so einen Glitzerkram nicht! Du bist `ne ganz Coole und coole Mädchen tragen so was nicht." Dieses Thema erledigt sich meist von alleine, weil dem Kind garantiert kein Schuh von jenen, die Papa aussucht, passt.
Wenn sie ganz ausgebufft ist, dann sagt sie: "Papa, die Schuhe gefallen mir, aber der drückt hier vorne, der reibt da hinten, aus dem rutsch ich raus" usw.
Wenn ich dann die Probe aufs Exempel mache und dem Kind exakt das gleiche Schuhmodell einmal in blau und einmal in pink anziehe, was wird der Vater dann feststellen?
Genau! Der pinkfarbene Schuh ist super bequem und gar nichts drückt, aber der Blaue reibt. (Diesen Trick wenden die Kinder übrigens in allen Altersgruppen an. Nach dem 30. Schuh und einer Einmischung einer Fachkraft bemerken die Eltern erst die dunklen Seiten ihrer braven Kinder.)
In diesem Fall versuche ich den Vater damit zu überzeugen, dass die Rosaphase spätestens in der zweiten Klasse aufhört, denn ab diesem Zeitpunkt gilt Rosa als Babyfarbe und wird von Hellblau oder Türkis abgelöst.
Eine Chance haben wir seit dem Disneyfilm Frozen* mit Elsa der Prinzessin, die quasi nur Blautöne trägt, was eine ungeheure Wendung in Sachen Favoritfarben der Mädchen verursacht hat.
Dann gibt es noch den: “Die sind ja teurer als meine Schuhe”-Typ
Da muss ich dann schon vehement auftreten um zu überzeugen.
Ich beginne mit der Frage, wieviel Paar Schuhe der Herr denn im Schuhschrank habe und frage, wieviele sein Kind hat. Anschließend frage ich ihn, ob seine Schuhe, wenn er nur ein Paar davon hätte, (Kinder haben im Höchstfall zwei paar Schuhe) und er würde sie tagtäglich anziehen, damit Fussball spielen, Roller fahren, durch Pfützen laufen, gegen alles treten was ihm im Weg ist, auf den Knien damit robben, was er meint, wie lange seine Schuhe halten würden?
Das die Arbeitsgänge in der Herstellung die gleichen sind wie bei Schuhen für Erwachsene und dass Kinderschuhe auch noch meistens aus nachhaltigen und ungiftigen Materialien bestehen sollen.
Nach diesem Redeschwall klappt der Mund des geizigen Vaters häufig zu und er sieht ein, dass Kinder vernünftige Schuhe brauchen. (Bei den ganz hartnäckigen setzt sich dann die Mutter durch.)
Ich sage nichts bei Eltern, die wirklich kein Geld haben, aber komischerweise sind es meistens jene, die teure Markenklamotten tragen und keinesfalls einen ärmlichen Eindruck machen.
Überzeugte Eltern verzichten notfalls auf die ein oder andere Markenklamotte, um ihren Kindern anständige Schuhe zu kaufen.
Schlimm für die Kinder ist auch der: “Mein Kind ist sooo nervig”-Typ.
Da stelle ich mich dann auf die Seite des Kindes und schmiede einen Komplott.
Ich zeige den Eltern, wie ihr Kind zu einem völlig umgänglichen Wesen mutiert, dass sich meine Erklärungen anhört, dass Pantherfüße nun mal nicht in Elefantenschuhe passen. Ich erkläre, dass die Pantherfüße ja sonst gar nicht schnell rennen können und ziehe der kleinen Raubkatze die "Pantherschuhe” an. Das Kind rast glücklich durch den Schuhladen und alle sind zufrieden.
Kindern mit breiteren Füßen erkläre ich umgekehrt, dass sie kräftige Bärenfüße haben, die Platz brauchen um fest auf dem Boden zu stehen, damit sie keiner umschubsen kann.
Eigentlich braucht man nur Fantasie, die Kinder lassen sich sofort darauf ein.
Schlimm sind auch die "Alles-auf-einmal-Erlediger“-Typen.
Sie kommen grad’ vom Kinderarzt , das Kind ist noch völlig verängstigt von der Impfung, oder sie hatten schon einen Kaufmarathon hinter sich und waren schon in zig Läden, bis sie die Ausstattung für die kommende Saison komplett hatten.
Jetzt müssen Schuhe gekauft werden, ob das Kind mag oder nicht.
Und immer sind es die Eltern, für die das Schuhekaufen absolut schlimm ist.
Beim Versuch den Draht zu den Kindern zu bekommen, fahre ich alle Tricks auf, als allerletzte Lösung kommen die Gummibärchen ins Spiel.
Natürlich nur mit Erlaubnis der Eltern, nicht dass die nicht veganen Gummibärchen zu einem Lebensmittelschock führen.
Oft sind die Eltern total verblüfft, weil das sonst so wiederspenstige Kind sich einfach auf den Schoß der Verkäuferin setzt, obwohl es ansonsten doch fremdelt. Dieses Kunststück beherrschen alle Kolleginnen, die einfach ein Herz für Kinder haben.
Wir versuchen die Hektik, das Negative von den Kindern wegzunehmen und alles in ein Spiel zu verwandeln.
Und dann gibt es da noch den" Ich-lass-mich-beraten-und-kauf-dann-im-Internet"-Typ.
Er oder sie, lassen messen, sich beraten, finden den ultimativen Schuh, bedanken sich und verlassen OHNE Schuh den Laden. “Wir kommen ein andermal.” Ja, dann wenn wieder die nächste Größe ausgemessen werden muss.
Fördert das Bestehen von Fachberatung im Einzelhandel ungemein. Dann gibt es noch den“Mein-Kind-kann-machen-was-es-will”-Typ, der keinerlei Erziehungstile anwendet, nicht einmal den Laissezfaire-Stil.
Einfach gar nichts.
Das Kind kommt nicht, wenn es gerufen wird, schlägt andere Kinder auf der Rutsche, oder wahlweise die Eltern. Es sucht sich sich die Schuhe selber aus, egal ob sie passen oder nicht
und zieht zur Not auch nur Gummistiefel an, weil es keine Schuhe mag.
Rundum selbstbestimmt, sucht es verzweifelt nach Grenzen.
Viele Eltern haben verlernt. mit ihren Kindern zu umzugehen, sie halten ihnen Handys vor die Nase, damit sie sich Schuhe anprobieren lassen, oder stopfen ihnen ohne Unterlass Kekse in den Mund. Wenn der Mund voll ist kann es ja nicht mehr schreien.
Dass man mit dem Kind auch einfach reden kann, scheinen sie verlernt zu haben.
Aber es gibt sie noch, die Eltern, die wissen, dass man ein Kind nicht einfach von der Rutsche zerrt, weil es nicht sofort kommt, sondern ihnen erklären, dass sie noch einmal rutschen sollen und dann kommen müssen.
Eltern, die mit ihren Kindern zu einem Zeitpunkt Schuhe kaufen, wo sie noch ausgeruht sind.
Eltern, die die Oma dabei haben, die sich um das zweite und dritte Geschwisterchen kümmert, während die Mutter in Ruhe ein Kind nach dem anderen mit Schuhen versorgt.
Väter, die ihre Töchter ihren Rosaglitzerprinzessinnentick ausleben lassen.
Eltern, die viel erklären und auch zuhören.
Eltern, die ihren Kindern auch jede so nervige Frage beantworten, weil sie einfach wissen: Wer nicht fragt bleibt dumm.
Eltern, die ihren Kindern keine Entscheidungen treffen lassen, mit denen sie offensichtlich noch überfordert sind und deren Folgen sie gar nicht abschätzen können.
Eltern, die wissen wann man mit dem Kind diskutiert und wann es wichtig ist einfach mal die Richtung anzugeben.
Es gibt keine perfekten Eltern und die Fehler, die man macht, merkt man oft erst hinterher.
Aber man kann versuchen, sich in die Welt der Kinder hineinzuversetzen. Man kann sie respektieren und sich ein bisschen auf ihr Tempo einstellen. Für mich ist es keine Option, die Kinder ständig mit irgendwelchen Medien zu bedudeln, so lernen sie nie, Dinge zu erforschen, sich kreativ zu beschäftigen.
So werden sie nur ruhiggestellt und wenn das Gerät aus ist, werden sie zu
Berserkern.
*Frozen, USA 2013, deutscher Titel "Die Eiskönigin - Völlig unverfroren"
Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag
(15.11.16)
Ich freue mich über Dein Feedback und kann da sehr viel mitnehmen.
Ich hatte schon vermutet, dass es
a) zu lang ist
und
b) teilweise zu moralisch rüberkommt
Es ist tatsächlich so, dass man sich für die Erziehung des Hundes informiert, aber die Kinder oft so nebenher laufen. Zumindest enpfinde ich das so.
Ich neige dazu manchmal zu sehr mit dem Zeigefinger zu drohen, statt das Ganze in die humorige Richtung zu stellen.
Danke für Deine ehrliche Meinung, damit kann ich etwas anfangen.
Liebe Grüße
millefiori
Mein Interesse galt bisher mehr den Gedichten.
Es freut mich, wenn die Kolumne auch Leute anspricht, die von dem Thema nicht betroffen sind.
Liebe Grüße
millefiori